Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Corona-Impfung vor Operation senkt Risiken
Wie wirken sich eine Covid-Erkrankung und eine Corona-Impfung auf die Risiken bei einer späteren Operation aus? Zu Studien zu diesen Fragen trugen Daten Gladbacher Patienten bei.
MÖNCHENGLADBACH 122 Länder, 1677 Kliniken und medizinische Zentren, 142.815 Patienten – so viele Beiträge aus so vielen Quellen darf man wohl als solide Grundlage für eine wissenschaftliche Studie betrachten. Und auf solch umfangreichen Daten eines internationalen medizinischen Forschungsvorhabens beruhen auch zwei Studien, zu denen auch die Daten von Patienten der Kliniken Maria Hilf beigetragen haben. Prof. Andreas Kirschniak, Chefarzt der Klinik für Allgemeinund Viszeralchirurgie, und Kollegen haben sich an dem internationalen Projekt beteiligt. Sie steuerten Daten von Patienten bei, die im Oktober 2020 in den Kliniken Maria Hilf behandelt wurden und mit der Teilnahme einverstanden waren.
Ein Ergebnis, das jetzt in der Fachzeitschrift „Anaesthesia“veröffentlicht wurde: Das Risiko, dass es bei einer Operation zu möglicherweise sogar tödlichen Komplikationen kommt, ist bei Patienten in den ersten Wochen nach einer Covid-Erkrankung höher als normal. Das klingt für den medizinischen Laien erst einmal einleuchtend und erwartbar. Aber die Studie kommt noch zu einem weiteren Ergebnis, das Medizinern hilft, die Dringlichkeit einer Operation besser einschätzen zu können: Sieben Wochen nach einer Covid-Diagnose ist das Komplikations-Risiko bei einer Operation der Studie zufolge wieder auf ein normales Level gesunken.
Welchen praktischen Nutzen dieses Ergebnis haben kann, erklärt Kirschniak an einem Beispiel: Eine 40-jährige Frau leidet an einer akuten Gallenblasentzündung und war an Covid erkrankt. Weiß der Arzt. dass das Risiko einer Operation in diesem Fall erst nach sieben Wochen wieder auf normalem
Maß liegt, kann er abwägen, ob womöglich eine Behandlung mit Antibiotika bis dahin die angezeigte, weil risikoärmere Therapie ist. „Nichtsdestotrotz sollten auf der anderen Seite akute Erkrankungen nicht durch ein zu spätes Vorstellen beim Hausarzt oder im Krankenhaus verschleppt werden“, sagt Kirschniak.
Ein zweite aus dem Projekt entstandene Studie beschäftigte sich mit der Frage, wie sich eine Impfung
gegen das Coronavirus auf die Risiken einer anstehenden Operation auswirken. Das Ergebnis hier: Bei Patienten der Altersgruppe über 70 Jahren wäre eine Impfung vor einer bevorstehenden Operation besonders angezeigt. Denn durch die Operation ist ein solcher Patient zunächst noch besonders anfällig, bei einer Infektion mit dem Coronavirus in einem solchen Stadium steigt das Risiko eines schweren oder tödlichen Verlaufs erheblich.
Dass in vielen Ländern Patienten vor gängigen Operationen mangels der nötigen Impfstoffmengen nicht zu den priorisierten Gruppen gehören, ist den Autoren der in der Zeitschrift „British Journal of Surgery“veröffentlichen Studie bewusst. „Impfstoff ist rar, ja. Aber aus rein medizinischer Sicht wäre es sinnvoll, dass Patienten, die auf eine größere Operation zulaufen, geimpft werden“, sagt Kirschniak.
Die Autoren der Studie empfehlen denn auch: Sobald genügend Impfstoff vorhanden ist, sei es vorteilhaft, OP-Patienten – und vor allem solche, die an Krebs leiden – für die Corona-Impfung entsprechend zu priorisieren.
Das sei vor allem in Ländern wichtig, in denen es noch einige Jahre brauchen werde, bis die Bevölkerung geimpft sei. In diesen Regionen könne eine solche Impf-Priorisierung dazu beitragen, einen sicheren geregelten Operationsbetrieb zu ermöglichen.