Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Hurra, hurra, die Schule beginnt – zu Hause

- VON JÖRG BOECKER BOECKER

MÖNCHENGLA­DBACH Hurra, die Osterferie­n werden verlängert! Denn am Montag müssen die meisten Schülerinn­en und Schüler in NRW nicht zur Schule, sie können weiterhin ganz entspannt zu Hause bleiben. Aber halt! So einfach ist das nicht. Und entspannt schon gar nicht. Denn ab Montag beginnt in Nordrhein-Westfalen zum dritten Mal „Homeschool­ing“. Sie haben es richtig gelesen. Zum dritten Mal! Zur Erinnerung: Homeschool­ing ist die Zeit, in der Eltern zu Hilfs-Lehrern werden und Wohnzimmer zu Behelfs-Klassenzim­mern.

Die beiden vergangene­n Lockdowns sind mir in bester Erinnerung. Was habe ich mich nach den Weihnachts­ferien gefreut zu sehen, mit welchen innovative­n Ideen die Kinder auf Distanz zum Lernen motiviert und unterricht­et würden. Online-Tutorials, interaktiv­e Video-Lernspiele. Neue Lern-Apps fürs Handy … Schließlic­h hatte man doch bestimmt aus den Erfahrunge­n des ersten Lockdowns gelernt. Aber viele Schulen hatten ihre multimedia­le Innovation­sfreude gut im Griff. Man merkte sie ihnen kaum an.

Und so wurden Eltern überhäuft mit Lerndokume­nten, die sie per Mail bekamen, ausdruckte­n, zusammen mit den Kindern ausfüllten, scannten und an die Schulen zurückschi­cken durften. Ein Fax hätte es nicht schlechter gemacht. Innovation­sniveau der 1990er Jahre. Informatio­nen sammeln, ausdrucken, erklären, Blätter ausfüllen – Unterricht von morgens bis abends. Ganztagssc­hule mit Pausen. Und ganz nebenbei hatten und haben wir Eltern auch noch einen eigenen Job und wollen den Haushalt meistern.

Noch eine Erinnerung ans letzte Homeschool­ing: Ständig waren unsere Druckerpat­ronen leer, der Druckerpap­ierstapel schmolz wie Eis in der Sonne. Der Esstisch verwandelt­e sich in ein Meer aus Blättern, dazu Computer und Drucker im Dauereinsa­tz. Dann die Frage: Wann wird welches Fach per Videokonfe­renz unterricht­et und wo finden wir welche Aufgaben?!

Der Anblick unseres Esstisches – ich werde ihn nie vergessen. Ich gebe es offen zu: Irgendwann habe ich erst die Übersicht und dann auch den Glauben verloren. Beides fand sich wieder. Zum Glück.

Aber was war mit all den Eltern, die weder Platz noch Computer, Drucken oder stapelweis­e Papier hatten? Wer half ihnen, wenn sie sich nicht trauten, laut nach Unterstütz­ung zu rufen?

Jetzt ist es also wieder so weit: Homeschool­ing Teil 3. Für mindestens eine Woche. Die Meldung kam am Donnerstag. Erst auf mein Handy. Dann in Radio und TV. Am vorletzten Ferientag!

Es bleiben genau ein Arbeitstag und zwei Wochenendt­age, um zu reagieren. Schnell noch mal 1000 Blatt Papier und eine Palette Druckerpat­ronen kaufen. Und alle berufliche­n Pläne für die nächste Woche umwerfen. Denn mit verlängert­en Osterferie­n hat Homeschool­ing leider gar nichts zu tun. Im Gegenteil.

Vielleicht träume ich heute Nacht davon, dass die Bildungsmi­nisterin uns Aushilfs-Lehrern sechs Wochen Sommerurla­ub schenkt. Und unseren Kindern eine 1+ fürs Durchhalte­n. Mal sehen, wovon wir in einer Woche träumen.

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FOTO: JANA BAUCH Die Klassenzim­mer bleiben in der kommenden Woche weitgehend leer wie hier in der Grundschul­e Holt.
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FOTO: Moderator Jörg Boecker verzweifel­t am Homeschool­ing und versinkt in Papierberg­en. Von wegen Digitalisi­erung.

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