Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Genialer Quatsch von Charlie Kaufman

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Roman Das ist ein irres Buch, und wer weiß, dass sein Verfasser Charlie Kaufman das Drehbuch für den Film „Being John Malkovich“geschriebe­n hat, wird ahnen, auf welche Weise irre. In Kaufmans Debüt „Ameisig“geht es um B. Rosenberg, einen New Yorker Stadtneuro­tiker, der Filmkritik­en schreibt, die nur von wenigen Leuten gelesen werden. Rosenberg findet irgendwann den längsten je gedrehten Film, er dauert drei Monate, und sein Plan ist, das nie aufgeführt­e Werk zu veröffentl­ichen. Leider verbrennt die einzige Kopie, und was soll man da anderes machen, als den Film einfach nachzuträu­men. Kaufmann arbeitete mit Spike Jonze und Michael Gondry, er gewann den Oscar fürs Script zu „Vergiss mein nicht“, und sein fast 900 Seiten langer Roman ist ein genauso unterhalts­ames wie überforder­ndes Textgebirg­e. Das steckt randvoll mit Kulturbetr­iebsklatsc­h und Quatsch. Herrlich. Philipp Holstein mit PJ Harvey und Aldous Harding, und er hat diese Band in sich drin begriffen: die Gitarre, die sich wie ein fliegender Teppich unter den Sprechgesa­ng legt! Das geduldige Schlagzeug! Der Bass, der die Vocals immer wieder mitzureiße­n versucht! Man erinnert sich an The Fall, an Elastica und Wire. Bandgründe­r und Gitarrist Tom Dowse traf Florence Shaw an der

Kunstschul­e, und er fragte sie, ob sie nicht in seiner Band singen wolle. Nachdem sie sich zusichern ließ, dass sie sprechen statt singen dürfe, sagte sie: Ja.

Shaw durchwirkt ihr Textgewebe gelegentli­ch mit fremden Zitaten, ein bisschen wie in der Cut-upTechnik der Beat Poets. Manchmal, ganz manchmal nur ergibt sich dabei fast so etwas wie Gesang. Das „Well, well, well“in „Her Hippo“etwa. Oder das „Dü, dü, dü“im Titellied.

Hört man und muss direkt schmunzeln. Philipp Holstein

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Ameisig“, Hanser, 869 Seiten, 34 Euro.
Charlie Kaufman: Ameisig“, Hanser, 869 Seiten, 34 Euro.
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