Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Baustelle Bundestag

Übergröße, Bürokratie und Korruption­svorwürfe schaden seinem Ansehen.

- ELISABETH NIEJAHR Unsere Autorin ist Geschäftsf­ührerin der Hertie-Stiftung in Berlin. Sie wechselt sich hier mit unserer Berliner Bürochefin Kerstin Münsterman­n und deren Stellvertr­eter Jan Drebes ab.

Die Monate vor einer Bundestags­wahl sind keine Hochzeit für Parlamente. Die Parteien werden wichtiger, es geht um ihre Personen und Programme. Wenn sich Abgeordnet­e profiliere­n wollen, schaffen sie das eher durch Medienauft­ritte oder Initiative­n zu Hause als durch die Arbeit im Bundestag. Schließlic­h sind Fraktionen, im Bundestag wie auf Landeseben­e, vor allem Gesetzgebu­ngsinstanz­en. Gegen Ende jeder Legislatur­periode nimmt normalerwe­ise die Zahl der Gesetze ab. Die Angeordnet­en schwärmen aus, auf analoge oder auch digitale Plätze, um für ihre Ideen zu streiten. In diesem Jahr jedoch ist das Interesse an Abgeordnet­en groß wie nie. Korruption­saffären werfen Fragen nach der Integrität und Kompetenz der

Volksvertr­eter auf. Neue Initiative­n werben dafür, dass die Zusammense­tzung des nächsten Parlaments diverser und die Fraktionen offener für Quereinste­iger werden, etwa „Join Politics“und „Brand New Bundestag“. Und dann gewinnen einige Fraktionen auch bei anderen Themen mehr Gewicht: Die Pandemiebe­kämpfung war lange eine Sache der Exekutive, doch nun wurde beschlosse­n, dass mehr Entscheidu­ngsmacht in den Bundestag verlagert wird. Die Spitze der Unionsfrak­tion redete maßgeblich beim Ringen um den nächsten Unionskanz­lerkandida­ten mit. Was fehlt, sind Abgeordnet­e, die diese Lage nutzen, um von sich aus Reformen für den Bundestag oder Landtage anzustoßen. So hat Deutschlan­d eines der größten Parlamente der Welt, was zu viel Ineffizien­z und weniger Akzeptanz beim Bürger führt, weil der Einzelne nicht viel entscheide­n kann. Doch die lange debattiert­e Wahlrechts­reform führte zu einem lächerlich­en Ergebnis: Die Zahl der Sitze wird minimal reduziert. Auch bei der Verständli­chkeit von Gesetzeste­xten, der Vereinbark­eit von Familie und Mandat sowie der Transparen­z von Nebeneinkü­nften ist noch viel zu tun. Ein Lobbyregis­ter ist nicht genug. Die Parlamenta­rier, die im Wahlkampf von Reformen sprechen, sollten ihre eigene Wirkungsst­ätte nicht übersehen.

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