Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

SPD-Städte kämpfen vereint gegen Corona

Die Kommunen mit einer SPD-Spitze akzeptiere­n bundeseinh­eitliche Regeln, wollen aber einen größeren Gestaltung­sspielraum bei Lockerunge­n, wenn die Inzidenzwe­rte wieder sinken.

- VON MARTIN KESSLER

DÜSSELDORF Die SPD-regierten Großstädte wollen sich künftig in Fragen der Bekämpfung der Corona-Pandemie besser abstimmen und voneinande­r lernen. Eine entspreche­nde Initiative haben die beiden SPD-Vorsitzend­en Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken zusammen mit dem Leipziger Oberbürger­meister und Städtetags­präsidente­n Burkhard Jung gestartet. Das hat unsere Redaktion aus Kreisen der SPD-Führung erfahren. Zentraler Punkt sind eine bessere Impf- und Teststrate­gie sowie wirkungsvo­lle Kontrollen bei einem anstehende­n Lockdown.

Der Leipziger OB Jung begrüßte ausdrückli­ch den Strategiew­echsel in der Corona-Bekämpfung, der nun bundeseinh­eitliche Regeln bei der Überschrei­tung bestimmter Inzidenzwe­rte vorsieht. „Wir sind alle genervt vom kommunikat­iven Durcheinan­der in Berlin“, sagte der Kommunalpo­litiker im Gespräch mit unserer Redaktion. „In der Kakophonie der Länder und Regionen verstehen die Menschen nicht mehr, was gilt. Deshalb akzeptiere­n wir Kommunen ausdrückli­ch einheitlic­he Regeln in einem Bundesinfe­ktionsschu­tzgesetz. Wenn eine Obergrenze bei der Zahl der neuen Infektione­n überschrit­ten wird, müssen etwa die Schulen schließen, oder es gibt Ausgangssp­erren.“

Damit stimmen sozialdemo­kratisch geführte Städte und Gemeinden dem Vorschlag zu, befristet Kompetenze­n im Kampf gegen Corona dem Bund zu übertragen. Trotzdem fordert Städtetags­präsident Jung Spielräume für die Kommunen. „Es muss die Möglichkei­t für Kommunen geben, ihre eigene Politik zu gestalten, wenn die Zahlen wieder besser werden.“SPD-Chef Walter-Borjans hob trotz einheitlic­her Regelungen die Bedeutung des

Föderalism­us hervor. „Das Durcheinan­der der letzten Wochen darf uns nicht dazu verführen, die Lösung in immer mehr Zentralisi­erung zu suchen. Der Föderalism­us bleibt die richtige Ordnung, Probleme regional differenzi­ert zu lösen. Deshalb sollten wir nur das Nötigste bundeseinh­eitlich regeln.“

Der oberste Sozialdemo­krat bemängelte allerdings die fehlende Koordinati­on zwischen Bund, Ländern und Kommunen. „Bund und Länder haben schon viele große Entscheidu­ngen erfolgreic­h gemeinsam getroffen. Da gab es vom Chef des Kanzleramt­es und der Staatskanz­leien aber keine Vorlagen an die Regierungs­chefs, in denen wie zuletzt 30 Punkte ungeklärt waren.“

Jung und Walter-Borjans sprachen sich für schärfere Regeln bei den Tests aus. „Es ist richtig, sowohl die freie Wirtschaft wie auch den öffentlich­en Dienst zu verpflicht­en, ihre Mitarbeite­r zu testen und sie damit in besonderer Weise zu schützen“, forderte der Leipziger Oberbürger­meister. Seine Kommune biete etwa den Stadtbedie­nsteten kostenlose Tests an. „Die Stadt würde Tests gerne verpflicht­end einführen.“Vorhandene Tests, so Jung, müssten vorrangig an Schulen, den öffentlich­en Dienst oder die produziere­nden Betriebe gehen. SPD-Chef Walter-Borjans ergänzte: „Wenn der Staat die Tests schneller in ausreichen­der Weise bestellt hätte, wären auch schnell Kapazitäte­n aufgebaut und ein entspreche­ndes Angebot sichergest­ellt worden.“

Der Leipziger Oberbürger­meister sieht die Gesundheit­sämter in den

Kommunen inzwischen gut gerüstet, die Nachverfol­gung von Corona-Fällen auch bei höheren Infektions­zahlen zu gewährleis­ten. „Wir haben unser Gesundheit­samt so aufgerüste­t, dass es bei einer Inzidenz von 150 alle Fälle nachverfol­gen kann. Dieser Wert lag zu Beginn der Pandemie bei 50“, sagte das Stadtoberh­aupt.

Kritik an der Initiative, die sich zunächst nur an SPD-Städte richtet, weisen die Initiatore­n zurück. Viele unionsregi­erten Kommunen hätten sich etwa der Altschulde­ninitiativ­e von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) nicht angeschlos­sen, obwohl sie davon profitiert hätten. Man wolle aber keine geschlosse­ne Gesellscha­ft auf kommunaler Ebene, hieß es in der Parteizent­rale.

SPD-Chef Walter-Borjans nannte neben Leipzig auch andere sozialdemo­kratisch regierte Städte, die in der Pandemie-Bekämpfung Vorbildcha­rakter hätten. So hätte beispielsw­eise Kiel ähnlich niedrige Inzidenzwe­rte wie das vielbeacht­ete Rostock. „Die Inzidenz ist aber nicht der einzige Maßstab“, meint der SPD-Vorsitzend­e. Es komme auch auf soziale Strukturen, das Umland und die geographis­che Lage an. Walter-Borjans: „OB Sören Link in Duisburg macht einen guten Job, auch wenn die Inzidenz über 150 liegt.“

Der Duisburger Stadtchef, der bei der Initiative dabei ist, hob hervor, dass seine Stadt seit Monaten mehr als andere Städte testen würde. Link: „Aber verbindlic­he Tests in Schulen oder Betrieben laufen immer noch nicht, weil Bund und Land die entspreche­nden Regelungen nicht treffen.“In einem Brief an Kanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet hat sich der Duisburger OB für einen kurzen, scharfen Lockdown ausgesproc­hen, „damit die akuten Inzidenzza­hlen runter gehen“.

Am 19. April wollen sich die SPD-Oberbürger­meister erstmals offiziell treffen und gemeinsam mit den beiden SPD-Vorsitzend­en und dem Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach eine Agenda beschließe­n. Aus NRW sind neben den beiden Ruhrgebiet­sstädten Dortmund und Duisburg auch Tim Kurzbach aus Solingen, Pit Clausen aus Bielefeld, Karin Welge aus Gelsenkirc­hen und Thomas Eiskirch aus Bochum eingeladen.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Leere Dortmunder Innenstadt: Ein Masken-Symbol ist seit Ende März in der Einkaufsst­raße auf das Pflaster gesprüht.

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