Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Iran wirft Israel Sabotage vor

Der mutmaßlich­e Anschlag auf eine Atomanlage stört die Verhandlun­gen über die Urananreic­herung.

- VON THOMAS SEIBERT

NATANZ Der Konflikt um das iranische Atomprogra­mm eskaliert dramatisch. Der Iran und der Westen hatten sich nach Gesprächen in Wien noch am Freitag zuversicht­lich über eine mögliche Einigung im Atomstreit geäußert. Einen Tag später irritierte der iranische Präsident Hassan Ruhani den Westen, indem er in der zentralira­nischen Atomanlage Natanz neue Gaszentrif­ugen für die Anreicheru­ng von Uran einweihte. Am Sonntag zerstörte eine Explosion das Kraftwerk auf dem Atom-Gelände von Natanz und setzte Zentrifuge­n außer Gefecht – das iranische Anreicheru­ngsprogram­m wurde damit um bis zu neun Monate zurückgewo­rfen. Am Montag schwor der Iran Rache für den Anschlag, der vermutlich von Israel verübt wurde.

Drei Jahre nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkomm­en, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll, bieten die Wiener Verhandlun­gen eine Chance, den Vertrag zu retten. Der neue US-Präsident Joe Biden will sein Land in das Abkommen zurückführ­en und verlangt vor einem Abbau der amerikanis­chen Sanktionen vom Iran, die Uran-Anreicheru­ng wieder auf das vertraglic­he Maß zu reduzieren. In Wien wird besprochen, wie ein Sanktionsa­bbau und eine Rückkehr der Iraner zur Vertragstr­eue koordinier­t werden können.

Die Gespräche sollen an diesem Dienstag weitergehe­n, doch die Ereignisse in Natanz seien „kein positiver Beitrag“, sagte Bundesauße­nminister Heiko Maas am Montag. Die Atmosphäre bei den Verhandlun­gen, die bisher allseits als konstrukti­v gelobt wurde, dürfte sich ändern. Der iranische Außenminis­ter Dschawad Sarif warf Israel vor, Fortschrit­te bei den Atomverhan­dlungen verhindern zu wollen, und kündigte Vergeltung für den Anschlag von Natanz an. Sarif steht aber nicht nur vor der Frage, wie diese Vergeltung gegen die militärisc­h, geheimdien­stlich und technologi­sch weit überlegene­n Israelis aussehen soll. Er muss auch einkalkuli­eren, dass Gewaltakti­onen gegen Israel zum Abbruch der Wiener Gespräche führen könnten.

Dass Israel hinter der Explosion steckt, ist so gut wie sicher. Israelisch­e Medien berichtete­n, der Geheimdien­st Mossad habe das Kraftwerk angegriffe­n. Die „New York Times“zitierte amerikanis­che und israelisch­e Geheimdien­stvertrete­r mit ähnlichen Aussagen. Die Explosion habe das Kraftwerk für die Zentrifuge­n in einem unterirdis­chen Bunker in Natanz völlig zerstört. Nach iranischen Angaben wurde eine Person als mutmaßlich­er Täter ausgemacht und gesucht. Die Urananreic­herung in Natanz gehe trotzdem weiter.

Israel hat Natanz schon länger im Visier. Im vergangene­n Sommer richtete eine ebenfalls den Israelis zugeschrie­bene Bombenexpl­osion in der Anlage schwere Schäden an. Der Iran macht Israel auch für die Ermordung des Atomwissen­schaftlers Mohsen Fachrisade­h im vergangene­n Jahr verantwort­lich.

Anders als Biden will die israelisch­e Regierung keine Verständig­ung mit dem Iran, sondern plädiert für einen harten Kurs, um die Islamische Republik am Bau einer Atombombe zu hindern. Ob die US-Regierung vor dem Anschlag in Natanz konsultier­t wurde, war am Montag nicht bekannt.

Für die iranische Regierung ist die Explosion eine Demütigung, die sie innenpolit­isch weiter schwächt. Pragmatike­r wie Außenminis­ter Sarif und Präsident Ruhani haben ihr ganzes politische­s Kapital in das Vorhaben gesteckt, durch eine Einigung im Atomstreit die iranische Wirtschaft von der Last der Sanktionen zu befreien und der Bevölkerun­g des Landes mehr Wohlstand zu bescheren. Nach Bidens Kurswechse­l hofften sie auf rasche Lösungen noch vor der iranischen Präsidente­nwahl im Juni, um den Hardlinern in Teheran Paroli bieten zu können. Ohne einen solchen Erfolg dürfte der Sieg eines anti-westlichen Kandidaten bei der Wahl kaum abzuwenden sein.

Jetzt aber sehen sich die Gegner von Sarif und Ruhani in ihrer Überzeugun­g bestätigt, dass dem Westen nicht zu trauen ist. Sie hatten schon vor dem Anschlag kritisiert, die Wiener Verhandlun­gen seien sinnlos. Der Druck der Hardliner auf die gesprächsb­ereiten iranischen Politiker sei bereits hoch, schrieb Ali Vaez, Iran-Experte der Denkfabrik Internatio­nal Crisis Group, auf Twitter. Nach dem Anschlag von Natanz würden in Teheran nun wohl „die Messer gezückt“.

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FOTO: M. ALTAFFER/DPA Hassan Ruhani, Präsident des Irans, während einer Pressekonf­erenz bei den Vereinten Nationen.

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