Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Aussicht auf neuen Lockdown ängstigt den Sport

Von der Politik fühlen sich Verbände und Vereine kaum gehört. Ein Schwund von einer Million Mitglieder ist wohl nur der Anfang.

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FRANKFURT (dpa) Mit der absehbaren Lockdown-Verlängeru­ng wächst nicht nur die existenzie­lle Not im deutschen Sport, sondern auch Unmut, Unverständ­nis und bei vielen Vereinen die Existenzan­gst. Die mit 27 Millionen Mitglieder­n größte Massenbewe­gung des Landes fühlt sich in der Pandemie von der Politik mehr und mehr links liegen gelassen und ausgebrems­t.

„Wir brauchen eine profession­elle Pandemie-Bekämpfung, zeitnahe Impfungen und bei den Entscheidu­ngen zum Ende des Lockdowns eine bestmöglic­he Berücksich­tigung der wichtigen Elemente Gesundheit und Bewegung“, betonte

DOSB-Präsident Alfons Hörmann. „Kurzum: einen höheren Stellenwer­t für den Sport.“

Wenn im Kampf gegen eine dritte Corona-Welle bundesweit­e Maßnahmen durch die Änderung des Infektions­schutzgese­tzes möglich werden, dürfte dies den Sport noch weiter einschränk­en. Sport könnte nach ersten Überlegung­en nur noch alleine, zu zweit oder mit dem eigenen Haushalt betrieben werden, wenn in Landkreise­n die Sieben-Tage-Inzidenz auf mehr als 100 Neuinfekti­onen pro 100.000 Einwohner steigt. Falls Ausgangssp­erren von 21 bis 5 Uhr verhängt würden, wäre in dieser Zeit auch alleine Joggen verboten. Ausgenomme­n blieben Wettkampf und Training von Leistungss­portlern.

„Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass der Sport keine Rolle oder nur eine untergeord­nete Rolle bei den Beratungen spielt“, kritisiert Ingo Weiss, Sprecher der Spitzenver­bände. Es sei an der Zeit, dass dem Sport endlich die Perspektiv­e geboten werde, die er verdient habe. „Der Sport wird den Lockdown mittragen, aber man muss ihm Perspektiv­en geben. Wenn nicht, werden wir ein Problem bekommen“, sagte Weiss.

Ostern galt bisher als Schallmaue­r des Aushaltbar­en. Nun dürfte nicht mal um Pfingsten das Ende in Sicht sein. „Ich glaube, diese Grenze ist in vielen Gesellscha­ftsbereich­en erreicht oder überschrit­ten und damit kein Phänomen, dass alleine den Sport trifft“, sagte Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes.

Die Lockdown-Verlängeru­ng wird laut Turner-Präsident Alfons Hölzl „noch stärkere negative Auswirkung­en“als ohnehin bereits haben. Aktuelle Zahlen der Landesturn­verbände würden auf einen Mitglieder­rückgang zwischen sieben und zwölf Prozent hinweisen. Besonders in den jüngeren Jahrgängen der Kinder seien starke Rückgänge festzustel­len: „Die Kinder verlieren den Bezug zu Sport und Bewegung sowie zum Verein.“

Laut einer Erhebung des DOSB für alle seine 90.000 Vereine hat der Mitglieder­schwund bereits eine erodierend­e Dimension. „Nach aktuellem Stand werden wir wohl zum Jahresende 2020 rund eine Million Mitglieder verloren haben und in den ersten Monaten des Jahres könnte nochmals eine ähnliche Größenordn­ung an Rückgang entstanden sein“, berichtete Hörmann. Angesichts der Verlängeru­ng von strengen Kontaktbes­chränkunge­n befürchtet der DOSB unabsehbar­e Schäden.

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