Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Gefährdet die Inzidenz das Modellprojekt?
Der kletternde Sieben-Tage-Wert treibt Befürwortern des Projekts Modellregion Sorgenfalten auf die Stirn. Denn so kann nichts gelockert werden.
MÖNCHENGLADBACH Es sind noch wenige Tage, bis die ersten Kommunen in das Projekt Modellregion starten sollen. Die Freude darüber, dass Mönchengladbach dabei sein soll, war bei der Verkündung am Freitag bei vielen groß. Die vom Land gestellte Bedingung „dass die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner zu Projektbeginn stabil unter 100 liegt“, erfüllte die Stadt zu diesem Zeitpunkt. Die Entwicklung übers Wochenende verpasst der Hoffnung auf Veranstaltungen und Konzerte aber einen Dämpfer. Am Sonntag sprang der Sieben-Tage-Wert auf 100,8. Montag lag er bei 110,3. Was heißt es, dass er „stabil unter 100“liegen muss? Ist der Projektstart am 19. April in Gefahr? Oder steht gar das ganze Projekt auf der Kippe? Klar war das am Montag noch nicht, geht aus einer Antwort des Stadtsprechers Wolfgang Speen auf Anfrage der Redaktion hervor.
Vom Land gab es auf entsprechende Fragen bis Redaktionsschluss keine Antwort. Dabei ist Gladbach nicht der einzige Teilnehmer der ersten Runde, dessen Inzidenz wieder über 100 liegt. Montag war das auch im Kreis Warendorf so – mit 108,7. Auch in Münster, Paderborn sowie den Kreisen Warendorf und Soest lag die Inzidenz deutlich über der vom Freitag. In Letzteren sprang sie rund 20 Schritte hoch, in Münster rund 34. Nur im Kreis Coesfeld ist die Inzidenz nicht über den Freitags-Wert gestiegen.
Speen betonte: „Zur Zeit führt die Stadt Mönchengladbach weitere Gespräche mit dem Land und den beteiligten Projektpartnern.“Die Fragen, welche Auswirkungen die Inzidenz-Entwicklung konkret auf den Projektstart hat und unter welchen Umständen das Konzept wie geplant umgesetzt werden könnte, konnte Speen zunächst nicht beantworten. Darum gehe es unter anderem in den Gesprächen. „Das Land hat aber bereits klargestellt, dass die Sieben-Tage-Inzidenz zu Projektbeginn unter dem Wert von 100 liegen muss. Andernfalls solle der Start verschoben werden.“Die Stadt halte daher vorerst an den Vorbereitungen fest.
Mönchengladbach hatte den Antrag für das Projekt gemeinsam mit der Stadt Krefeld gestellt. Letztere soll in der zweiten Runde mit dem Projekt starten, hatte am Montag aber eine Inzidenz von 142. Auswirkungen auf Mönchengladbach hat das aber nicht, sagt Speen. „Da der Projektantrag gemeinsam gestellt wurde, ist uns an einer engen Zusammenarbeit mit der Stadt Krefeld gelegen. Die jeweils in den Städten stattfindenden Veranstaltungen können jedoch auch losgelöst von der jeweils anderen Stadt durchgeführt werden“, so der Stadtsprecher. „Maßgeblich ist daher nur die Inzidenz am Veranstaltungsort selber. Dem hat das Land ja auch durch den unterschiedlichen Startzeitpunkt Rechnung getragen.“
Die Sieben-Tage-Inzidenz wird auch im weiteren Verlauf des Projekts eine entscheidende Rolle spielen. Dabei ist nach jetzigem Stand seitens des Landes geplant, dass das Projekt vor Ort abgebrochen wird, „wenn in der Kommune die Sieben-Tage-Inzidenz an sieben aufeinanderfolgenden Tagen mehr als 100 beträgt, es sei denn, der Projektträger legt schlüssig dar, dass das Vorhaben nicht wesentlich zum Anstieg beigetragen hat“. Wie es nach einem möglichen Abbruch weitergeht – ob die Testoption wieder greift oder es wieder zu harten Maßnahmen kommt – darauf gab die Stadt am Montag noch keine Antwort, verwies aber darauf, dass solche Fragen noch mit dem Land besprochen würden.
Die Mönchengladbacher sind unterdessen geteilter Meinung, ob das Modellprojekt sinnvoll ist. Roswitha Sander wurde gerade an einem Geschäft abgewiesen. „Das lag daran, dass ich keinen tagesaktuellen Test hatte“, sagt Sander. Das sei ärgerlich, denn sie könne es sich nicht leisten, jedes Mal in der Apotheke einen zu kaufen. Und vor jedem Besuch in der Stadt noch einen Termin in einem Testzentrum zu bekommen – das funktioniere auch nicht. „In der Innenstadt müssten überall kostenlose Testmöglichkeiten aufgebaut werden“, findet Sander. „Ansonsten wird das Projekt scheitern.“
Lothar Schilling freut sich, bald wieder mehr am Leben draußen teilhaben zu können. „Immer nur in meiner Wohnung zu sitzen – das ist nichts für mich“, sagt der Rentner. Denise Götz blickt mit zwiespältigen Gefühlen auf das Projekt. „Für die Wirtschaft ist es bestimmt gut“, sagt sie. Doch die Menschen müssten verantwortungsvoll mit den Öffnungen umgehen. Götz wird Orte, an denen viele Menschen zusammenkommen, erst einmal meiden.