Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Ein Asthmaspray macht Hoffnung
Das weit verbreitete Asthmamittel Budesonid kann offenbar schweren Covid-19-Krankheitsverläufen vorbeugen. Das hat eine Studie der Oxford-Universität ergeben.
OXFORD Asthmatiker und COPD-Patienten kennen den Wirkstoff Budesonid schon lange. Denn das weitverbreitete Kortisonspray unterdrückt die chronische Entzündung der Atemwege, die Asthmatikern das Leben schwer macht, und verhindert so ihre Luftnot. Laut einer Studie von Forschern der Universitätsklinik Oxford könnte das Mittel jedoch auch bei der Behandlung Covid-19-Erkrankter helfen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Spray mit dem Wirkstoff Budesonid, frühzeitig und bei milden Verläufen verabreicht, Klinikaufenthalte um 90 Prozent reduzieren sowie den Krankheitsverlauf verkürzen könnte.
Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler nach dem Zufallsprinzip 146 Corona-Patienten, die seit durchschnittlich drei Tagen an milden Symptomen wie Kopfschmerzen, Husten oder Fieber litten, zwei Gruppen zugeordnet. Die eine Gruppe bekam die übliche schmerzlindernde und fiebersenkende Standardbehandlung mit Wirkstoffen wie Paracetamol oder Ibuprofen. Der Gruppe verordnete man zu Beginn der Erkrankung stattdessen zweimal täglich jeweils zwei Sprühstöße des Kortisons Budesonid.
Bei zehn der Corona-Kranken mit der Standardtherapie verschlechterte sich der Zustand derart, dass sie als Notfall ins Krankenhaus mussten. Von den mit dem Asthmaspray behandelten Patienten war es hingegen nur ein einziger. Das Risiko für einen schweren Verlauf war in dieser Gruppe um 90 Prozent niedriger. Auch Fiebersymptome, die als schlechter Prognosemarker im Verlauf der Corona-Erkrankung gelten, verschwanden bei den Budesonid-Patienten schneller.
Diese Ergebnisse befeuern die Hoffnung, mit einem einfachen Mittel allen Corona-Erkrankten im frühen Stadium der Erkrankung helfen zu können. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bezeichnete diese Option in einer ersten Reaktion auf Twitter sogar als „Game Changer“.
Die Einschätzungen aus der Fachwelt sind hingegen verhaltener. Allergie- und Lungenexperten sehen die Studie zwar als ersten Hinweis, doch vermissen sie die breite wissenschaftliche Basis. Man könne aus der Untersuchung nicht ableiten, „dass alle Menschen mit einem milden Covid-19-Verlauf unbedingt ein inhalierbares Kortison haben müssen“, sagt Klaus Rabe von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin deutlich.
Die Kritik der deutschen Experten zielt vor allem auf die kleine Zahl der Studienteilnehmer. Zudem mangele es an einer Kontrollgruppe, der Placebo verabreicht wurde, monieren Ludger Klimek, Präsident des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen, und Anja Schwalfenberg vom Allergieund Asthmabund (DAAB).
Ganz unbegründet ist der Wunsch, mit einem inhalierbaren Kortison den frühen Verlauf einer Covid-19-Erkrankung positiv beeinflussen zu können, dennoch nicht. Bereits vor der britischen Studie war bei Untersuchungen aus China aufgefallen, dass asthmakranke Patienten bei einer Infektion mit SarsCoV-2 nur selten schwere Verläufe erlitten. Die meisten Asthmatiker benutzen Sprays mit sogenannten inhalativen Steroiden (Kortisonsprays). Ein Zusammenhang besteht demnach hypothetisch schon.
„Es ist schon länger Konsens, dass Kortison bei der Behandlung entzündlicher Prozesse hilfreich ist und überschießende Entzündungsreaktionen abschwächen kann“, sagt Klimek.
Aus diesem Grund raten Mediziner ebenso wie auch der DAAB Menschen mit chronischen Atemwegsentzündungen seit Beginn der Pandemie dazu, sich gut medikamentös einstellen zu lassen und konsequent inhalative Glukokortikoide zu verwenden. „Asthmatikern und COPD-Kranken bietet die entzündungshemmende Therapie einen Schutz, da es die Atemwegschleimhaut weniger anfällig für Erreger mache, sagt Klimek. Da auch schwere Covid-19-Verläufe mit Entzündungen einhergehen, überrascht den Mediziner der Gedanke nicht, dass Kortison auch in der frühen Behandlung von Covid-19 helfen könne. Schon jetzt wird in der Behandlung schwerer Verläufe auf den Intensivstationen das Kortison Dexamethason gegeben.
Dennoch warnt Rabe vor einem Vergleich von Budesonid und Dexamethason. Denn Budesonid wird als Asthmaspray in meist niedriger Dosierung lokal auf die Atemwege begrenzt gegeben und aufgrund der geringen Nebenwirkungen als Dauertherapeutikum
genutzt. Bei Dexamethason hingegen handelt es sich um ein Kortison, das relativ hoch dosiert über einige Tage intravenös gegeben wird. Es wirkt nicht lokal, sondern systemisch – also auf den ganzen Körper. „Wir reden also über ein anderes Kortisonpräparat in einer anderen Darreichungsform bei einer anderen Erkrankungsschwere“, sagt Rabe.
Nach Einschätzung der deutschen Experten braucht es weitere wissenschaftliche, placebo-kontrollierte Studien. Ein neues Behandlungskonzept lasse sich alleine auf Grundlage der ersten positiven Hinweise aus der britischen Studie nicht entwerfen. Verschreibe hierzulande ein Mediziner das Asthmaspray zur Behandlung von Covid-19 an Patienten ohne chronisch obstruktive Lungenerkrankung, könne das für den Arzt zu großen Problemen führen. Der Grund: „Es gibt für diesen Einsatz keine zugelassene Indikation“, sagt Klimek. Auch die Krankenkassen könnten darum die Kosten nicht übernehmen.