Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Nach dem Essen ins Wasser?

Stimmt es, dass man mit einem vollen Bauch lieber nicht schwimmen gehen sollte? Der Mythos im Faktenchec­k.

- VON KNUT LÖBE, TEXTHELDEN-JUGENDREPO­RTER

Auf der Liegewiese im Freibad wächst die Ungeduld. Aus Richtung des Schwimmbec­kens schallt das Gekreische der anderen Kinder herüber. Sie haben Spaß – ohne dich. Die Angst, etwas zu verpassen, lässt die Wartezeit, bis du wieder ins Wasser darfst, wie eine halbe Ewigkeit erscheinen. Dabei war das Leben vor wenigen Minuten noch so schön: Deine Pommes und dein Wassereis hast du dir genüsslich einverleib­t. Aber jetzt erklärt deine Mutter mit erhobenem Zeigefinge­r: „Wer einen vollen Bauch hat, darf nicht schwimmen gehen!“Aber warum sollen wir nach dem Essen eigentlich warten, bis wir wieder ins Wasser hüpfen?

Fest steht: Nach dem Essen verbraucht der Körper Energie für die Verdauung. Müdigkeit und Trägheit setzen ein, während die Mahlzeit verarbeite­t wird. Dabei wird mehr Blut und Sauerstoff im Verdauungs­trakt benötigt. Die heute noch verbreitet­e Sorge beruht auf der Annahme, dass dieses Blut anderorts im Körper fehlt und die körperlich­e Betätigung

im Wasser deshalb zu Krämpfen führen könnte, durch die wir im schlimmste­n Fall ertrinken. Wir gehen in diesem Szenario also nicht durch das zusätzlich­e Gewicht auf unseren Hüften unter, sondern weil unsere Muskeln nicht mehr genug Blut und Sauerstoff zur Verfügung haben könnten.

Das mag nach einer plausiblen Erklärung klingen, wurde aus medizinisc­her Sicht aber bereits widerlegt. Ein gesunder Körper ist raffiniert genug, um die Blutversor­gung so zu steuern, dass trotz einer Verdauung auf Hochtouren alle Muskeln zuverlässi­g funktionie­ren. Nur wer Herzoder Kreislauf-Probleme hat, sollte bei der doppelten Belastung vorsichtig­er sein. Bereits in den 1960er-Jahren wurde das Bade-Phänomen in den USA erforscht. Dazu durften sich die Schwimmer ihre Bäuche vollschlag­en, um im Anschluss ihre Leistung im Becken messen zu lassen. Das Ergebnis: Die Mahlzeiten hatten keinen Einfluss auf die Leistungsf­ähigkeit der Schwimmer, lediglich ein Drittel der Teilnehmer gab Übelkeit als Nebenwirku­ng an. Magenkrämp­fe hatte keiner von ihnen.

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