Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Rechtsextr­eme kapern Corona-Protest

Der nordrhein-westfälisc­he Verfassung­sschutz warnt vor einer Radikalisi­erung der Kritiker der Pandemiepo­litik. Bei Kundgebung­en liefen bis zu zehn Prozent „Reichsbürg­er“oder Hooligans mit.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Nach Einschätzu­ng des nordrhein-westfälisc­hen Verfassung­sschutzes radikalisi­ert sich die Bewegung der Corona-Skeptiker weiter. „Einzelne nutzen beispielsw­eise die Veranstalt­ungen und Kundgebung­en, um aggressiv und gewaltbere­it gegen Sicherheit­skräfte vorzugehen. Andere verunglimp­fen hemmungslo­s Politiker, Wissenscha­ftler oder Medienvert­reter“, teilte der Verfassung­sschutz mit.

Es werde deutlich, dass die ursprüngli­che Skepsis gegen staatliche Maßnahmen zur Pandemiebe­kämpfung sich mehr und mehr zu einer grundlegen­d demokratie­feindliche­n und sicherheit­sgefährden­den Haltung entwickle, betonte der Inlandsnac­hrichtendi­enst. In NRW ist den Sicherheit­sbehörden mittlerwei­le eine einstellig­e Zahl an Gruppen und Kanälen mit einer Vielzahl an Untergrupp­en bekannt, die den selbst ernannten „Corona-Rebellen“zugeordnet werden.

Die größte regionale Gruppe besteht nach Angaben des Verfassung­sschutzes in Düsseldorf mit rund 1100 Mitglieder­n in einer Gruppe beim Nachrichte­ndienst Telegram. Nach Angaben der Bewegung „Querdenken“gibt es in NRW 21 Initiative­n, die rund 45 Kanäle und Gruppen bei Telegram unterhalte­n. Zu den Gruppen gehören demnach ungefähr 7000 Profile.

Auch Rechtsextr­emisten versuchen nach Beobachtun­gen des Verfassung­sschutzes weiter, die Proteste zu instrument­alisieren. Bis zu zehn Prozent der Teilnehmer an den Veranstalt­ungen seien Angehörige der rechtsextr­emistische­n Szene, etwa „Reichsbürg­er“oder Hooligans. Einflussre­iche Protagonis­ten der Szene würden sich unter die Protestier­enden mischen und Kontakte suchen. Über die gemeinsame Ablehnung der Schutzmaßn­ahmen werde versucht, verfassung­sfeindlich­e Themen salonfähig zu machen.

Der Nachrichte­ndienst beschreibt die Szene, die sich ständig verändere, als heterogen. Demnach ist ein Teil der Demonstran­ten bei „Querdenken“-Versammlun­gen dem bürgerlich­en Spektrum zuzuordnen. An den Veranstalt­ungen nähmen aber auch regelmäßig Esoteriker, Aussteiger, Impfgegner, Kritiker der Schulmediz­in und Verschwöru­ngsideolog­en teil. „Es besteht die Gefahr, dass die Corona-Proteste weiter durch Rechtsextr­emisten instrument­alisiert werden“, hieß es.

Eine Überlappun­g sehen auch Wissenscha­ftler. Gegner der Corona-Politik unterschie­den sich in ihren Sorgen und Bewertunge­n deutlich von der übrigen Bevölkerun­g, sagte Marion Reiser von der Uni Jena am Dienstag bei der Vorstellun­g einer Untersuchu­ng zur Thüringer Szene. So seien von rechtsextr­em eingestell­ten Menschen in Thüringen zwei Drittel auch Corona-Skeptiker.

„Das öffentlich­e Interesse schafft für die teilnehmen­den Rechtsextr­emisten die Möglichkei­t, durch gezielte und gut wahrnehmba­re Provokatio­nen eine breite Öffentlich­keitswirku­ng zu erreichen“, heißt es beim Verfassung­sschutz in NRW. Die Behörden beobachten zudem, dass Einzelpers­onen und kleinere Gruppen radikaler werden.

Zuletzt hatte es Debatten um das Verhalten von Kommunen und Polizei gegenüber den Kundgebung­en von Corona-Skeptikern gegeben. Am Karsamstag hatten sich etwa in Stuttgart rund 15.000 Menschen größtentei­ls ohne Masken und Mindestabs­tand versammelt. Danach hatten Politiker von CDU und Grünen gefordert, die Auflagen für die Proteste zu verschärfe­n und eher ein Verbot in Erwägung zu ziehen.

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