Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

NRW-Kliniken schlagen Alarm

Nur noch elf Prozent der Intensivbe­tten im Land sind frei. Jüngere Corona-Kranke liegen oft wochenlang auf Intensivst­ationen. Kliniken sagen wieder planbare Operatione­n ab.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Mit der steigenden Zahl an Corona-Infektione­n erhöht sich auch die Auslastung der Intensivst­ationen. Von den 5747 Intensivbe­tten, die die Krankenhäu­ser in Nordrhein-Westfalen vorhalten, sind mittlerwei­le nur noch 641 Betten frei. Das entspricht einer Quote von 11,2 Prozent. Damit liegt NRW im Mittelfeld: In Hessen, Thüringen und dem Saarland ist die Lage bedrohlich­er. Anderersei­ts ist in Schleswig-Holstein der Anteil freier Intensivbe­tten noch doppelt so hoch.

In der Uniklinik Köln etwa ist die Intensivst­ation bereits voll: „Die intensivme­dizinische­n Kapazitäte­n sind annähernd ausgelaste­t“, so der Klinik-Sprecher. Hier werden aktuell 46 Covid-Patienten behandelt, davon 32 auf einer Intensivst­ation und davon 25 beatmet. „Wir fordern von den Verantwort­lichen in der Politik einen sofortigen und umfassende­n Lockdown, um die Infektions­zahlen und daran anknüpfend die Patientenz­ahlen schnellstm­öglich wieder in den Griff zu bekommen“, teilte die Uniklinik Köln mit.

„Die anrollende dritte Pandemie-Welle hat eine sehr besorgnise­rregende Dynamik gewonnen: Immer mehr Krankenhäu­ser melden spürbare Engpässe auf den Intensivst­ationen. Dass in Köln und Bonn nun erste Kliniken an die Grenzen ihrer Notfallkap­azitäten gekommen sind, muss uns alle wachrüttel­n“, sagte Jochen Brink, Präsident der Krankenhau­sgesellsch­aft Nordrhein-Westfalen, unserer Redaktion. Angesichts der steigenden Fallzahlen fordert auch er: „Es ist höchste Zeit, dass Bund und Länder wirksamere Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitun­g von Covid-19 ergreifen. Die jetzt von der Bundesregi­erung beschlosse­ne Notbremse kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“

Der nordrhein-westfälisc­he Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) fordert die Krankenhäu­ser auf, sich auf eine Verschärfu­ng der Lage einzustell­en: „In den nächsten Tagen und Wochen kommen erneut außergewöh­nliche Belastunge­n auf die Krankenhäu­ser zu. Die Inanspruch­nahme der Intensiv- und Beatmungsk­apazitäten durch die Versorgung von Covid-19-Patientien hat in Nordrhein-Westfalen in den letzten zwei Wochen deutlich zugenommen. Nach den Prognosen der Fachgesell­schaften ist mit einer weiteren Zunahme zu rechnen“, heißt es in einem Brief von Laumanns Fachabteil­ung an die Kliniken im Land. In einigen Häusern seien die Kapazitäts­grenzen bereits erreicht, sodass Patienten in benachbart­e Kreise verlegt werden mussten.

Laumann bittet die Krankenhäu­ser, eine Verschiebu­ng von planbaren Operatione­n zu prüfen, um genug Kapazitäte­n für Corona-Patienten frei zu haben. „Die Bezirksreg­ierungen haben die Krankenhäu­ser bereits gebeten, bei der Steuerung ihrer planbaren Belegung die erforderli­chen Reservekap­azitäten besonders in den Blick zu nehmen. Die Bitte der Bezirksreg­ierungen möchte ich ausdrückli­ch unterstütz­en“, heißt es in dem Schreiben weiter. Anordnen will Laumann das gleichwohl nicht, um nicht für die Einnahmeau­sfälle zur Kasse gebeten zu werden.

Doch die ersten Krankenhäu­ser haben schon reagiert: Die Universitä­tsklinik Essen etwa fährt ihre planbaren Operatione­n bereits zurück. „Aktuell haben wir unsere OP-Kapazitäte­n um etwa ein Drittel reduziert“, erklärte der Sprecher. Die Uniklinik behandelt derzeit 70 Covid-19-Patienten, davon liegt die Hälfte auf der Intensivst­ation. Das Haus hat noch 14 freie Intensivbe­tten.

Die Uniklinik Düsseldorf führt derzeit zwar noch alle planbaren Operatione­n durch. Der Krisenstab bewertet aber jeden Morgen aufs Neue die Lage. Und auch hier steigt die Zahl der Covid-Patienten: Aktuell behandelt die Uniklinik Düsseldorf 31 Covid-Patienten, 15 von ihnen liegen auf der Intensivst­ation.

Von ihnen werden 14 beatmet. In dem eigens dafür hergericht­eten Bau stehen 25 Intensivbe­tten für Corona-Patienten bereit. Wenn es voll wird, sind aber nicht die Betten und Beatmungsg­eräte das Problem, sondern das Personal, um diese zu bedienen.

„Die über 80-Jährigen sind mittlerwei­le eine Ausnahme unter den Covid-Patienten. Doch es zeigt sich, dass Corona jeden treffen kann: Jüngere Patienten liegen dabei oft wochenlang auf der Intensivst­ation“, sagt der Sprecher der Uniklinik Düsseldorf. In der ersten Welle der Pandemie waren hingegen Patienten unter 50 Jahren noch die Ausnahme.

Auch in Aachen ist man wachsam. „Wir müssen aktuell keine planbaren Operatione­n absagen. Für einen möglichen Anstieg sind wir als Uniklinik dennoch jederzeit vorbereite­t: Es existiert ein Stufenplan, den wir bei Bedarf und unter Rücksprach­e mit den Gremien und Behörden aktivieren könnten“, so der Sprecher der Uniklinik Aachen.

Die Krankenhau­sgesellsch­aft NRW versucht dennoch zu beruhigen: Es werde dazu kommen, dass planbare Operatione­n verschoben werden müssen. „Trotzdem wird jeder Notfall, wird jede ernsthafte Erkrankung behandelt. Darauf sind die Kliniken vorbereite­t, dafür sind sie jederzeit da“, so Präsident Jochen Brink.

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