Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Bordellkontrollen stark rückläufig
Schon vor der Pandemie ermittelte die Polizei seltener im Rotlichtmilieu.
DÜSSELDORF Minderjährige geraten immer häufiger in die Fänge von Menschenhändlern. Wie aus dem jüngsten Polizeilagebericht „Menschenhandel und Ausbeutung“des Landes hervorgeht, stieg die Zahl der Opfer unter 18 Jahren im Jahr 2019 auf 28 – nach 24 im Vorjahr. Das jüngste Opfer war demnach 14 Jahre alt. Zu berücksichtigen sei, dass in der Statistik nur die den Strafverfolgungsbehörden bekannt gewordenen Fälle auftauchen. Zur Dunkelziffer konnte das CDU-geführte NRW-Innenministerium am Dienstag keine Angaben machen. Polizei-Experten gehen jedoch davon aus, dass allein im Bereich der Prostitution mindestens 90 Prozent aller Sexarbeiterinnen illegal als Zwangsprostitutierte arbeiten, die in keiner Statistik auftauchen.
Der offizielle Lagebericht der Polizei führt für das Jahr 2019 über alle Altersgruppen hinweg für ganz Nordrhein-Westfalen 113 Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung auf (Vorjahr: 131). Dabei handelte es sich 2019 ausschließlich um Frauen. Dass die Zahl der Opfer gesunken ist, kann auch auf geringeren Fahndungsdruck zurückzuführen sein: Dem Bericht zufolge sank die Zahl der Bordellkontrollen 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 22 Prozent. Die Zahl der Ermittlungsverfahren ging um 16 Prozent zurück.
Der Bericht birgt politische Brisanz. Anfang Februar hatte die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion ein Positionspapier zum Thema Prostitution vorgelegt. Die Unionsabgeordneten betonen darin, dass Zuhälterei, Zwangsprostitution und Menschenhandel gegen die Menschenwürde verstießen: „Dieser Zustand ist für uns inakzeptabel. Die Situation der Betroffenen, insbesondere junger Frauen, fordert uns zum Handeln auf.“Zugleich drohten sie von Bundesseite mit einer Gesetzesverschärfung, wenn die Bundesländer diese Straftaten nicht konsequenter als bisher verfolgten. Für Frauen und Männer bis 21 Jahre soll Prostitution nach dem Willen der Unionsfraktion vollständig verboten werden.
In Nordrhein-Westfalen lehnt Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) dies jedoch ab. Auch das Innenministerium wollte sich am Dienstag nicht dazu äußern, ob härtere Maßnahmen gegen Menschenhandel ergriffen werden müssen.
Auffällig ist, wie stark die Zahl der bekannt gewordenen Fälle von Menschenhandel in einigen Kreispolizeibehörden zurückgegangen ist. In Essen etwa wurden 2018 noch 16 Fälle von Menschenhandel bekannt, ein Jahr später war es nur noch ein einziger. Auch in Duisburg wurde nur noch ein einziger Fall registriert – im Vorjahr waren es noch sieben gewesen. Eine gegenläufige Tendenz zeigte sich hingegen in Düsseldorf, Wuppertal, Bochum und Krefeld.
Was die nüchternen Zahlen in der Realität bedeuten, beschreibt der Lagebericht so: „Physische und psychische Gewalteinwirkung, häufig in Verbindung mit Droh- und Nötigungsszenarien, aber auch Einsperren und Passabnahme kommen am häufigsten vor. Oft wurde die hilflose Lage von Opfern ausgenutzt.“
„Gewalteinwirkung, aber auch Einsperren und Passabnahme kommen am häufigsten vor“Polizeilagebericht zu Menschenhandel und Ausbeutung