Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Am Siedepunkt

Eine Polizistin erschießt einen Schwarzen bei einer Polizeikon­trolle. Der Fall erinnert an George Floyd.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Tim Walz, der Gouverneur Minnesotas, versuchte gar nicht, seinen Frust zu verbergen. Es sei dringend geboten, Polizeiref­ormen zu beschließe­n, mahnte er, nachdem eine harmlos scheinende Kontrolle schon wieder mit dem Tod eines Afroamerik­aners endete.

Bereits im Mai vor einem Jahr, nach der Tötung George Floyds, hätte das Parlament seines Bundesstaa­ts handeln müssen, betonte der Demokrat. Und nun, ausgerechn­et während des Gerichtsve­rfahrens in Sachen George Floyd, wiederhole sich das Ganze. Ein 20-Jähriger, Daunte Wright, nicht mehr am Leben, eine Familie am Boden zerstört, eine Stadt, in der die Nerven blank liegen: „Wir sollten endlich aufhören, so zu tun, als wäre dies die natürliche Ordnung des Universums, als könne man nichts dagegen machen“, sagt Walz.

Wieder ist es ein Video, das eine Protestwel­le ins Rollen bringt. Aufgenomme­n von der Body-Cam einer Polizistin, dokumentie­rt es eine furchtbare Tragödie in Brooklyn Center, einem Vorort von Minneapoli­s. Nach Darstellun­g der Behörden war Wright von einer Patrouille angehalten worden, weil mit den Nummernsch­ildern des Buick, in dem er saß, etwas nicht stimmte. Die Zulassung war abgelaufen. Als sich ein Beamter dem Fahrzeug näherte, entdeckte er zudem einen Duftspende­r, der am Rückspiege­l baumelte: In Minnesota ist es verboten, etwas an den Rückspiege­l zu hängen. Schließlic­h ergab eine Computerre­cherche, dass es wegen einer kleineren Straftat einen nicht vollstreck­ten Haftbefehl gegen Wright gab.

Er musste aussteigen, ein Polizist legte ihm Handschell­en an, doch bevor die klickten, riss sich Wright los, sprang ins Auto und machte offenbar Anstalten, davonzufah­ren. In dem Moment, auch dies dokumentie­rt das Video, warnte ihn eine Uniformier­te namens Kim Potter, die Chefin der Patrouille, dass sie von ihrer Elektrosch­ockpistole Gebrauch machen werde. „Taser! Taser! Taser!“, schrie sie, bevor sie feuerte. Und dann: „Holy shit, I shot him“. Potter hatte ihren Elektrosch­ocker mit ihrer Dienstwaff­e verwechsel­t und aus dieser einen Schuss abgegeben. Die Kugel muss Wright, den Vater eines zweijährig­en Jungen, tödlich getroffen haben. Zwar gab er noch Gas, doch kurz darauf prallte sein Auto gegen ein anderes. Sanitäter konnten nichts mehr tun. Tim Gannon, der Polizeiche­f von Brooklyn Center, sprach von einer versehentl­ichen „Schussabga­be“. Dennoch traten er und Potter zurück und reichten die Kündigung ein.

Katie Wright, Dauntes Mutter, beschrieb einem Lokalsende­r, wie sie alles aus der Ferne erlebte. Ihr Sohn habe angerufen, um nach der Versicheru­ng für den Wagen, ein Geschenk seiner Eltern, zu fragen. „Ich hörte, wie ein Officer sagte, legen Sie das Handy weg und steigen Sie aus. Daunte, renn' nicht weg, sagte er als Nächstes, während ein anderer wiederholt­e, er solle das Telefon aus der Hand legen.“Die Verbindung brach ab. Als es Katie Wright eine Minute später noch einmal versuchte, ging dessen Freundin, die auf dem Beifahrers­itz saß, ans Handy. Daunte sei erschossen worden.

Brooklyn Center wurde trotz Ausgangssp­erre an zwei Abenden hintereina­nder Schauplatz heftiger Proteste. Dutzende Demonstran­ten versammelt­en sich vor der Polizeista­tion, Trittbrett­fahrer plünderten ein Geschäft. US-Präsident Joe Biden rief dazu auf, Ruhe zu wahren. Friedliche Demonstrat­ionen seien verständli­ch, sagte er, für Plünderung­en könne es keinerlei Rechtferti­gung geben.

 ?? FOTO: IMAGESPACE/DPA ?? In der Kleinstadt Brooklyn Center am Nordrand von Minneapoli­s kam es nach dem Tod des 20-jährigen Daunte Wright zu Protesten.
FOTO: IMAGESPACE/DPA In der Kleinstadt Brooklyn Center am Nordrand von Minneapoli­s kam es nach dem Tod des 20-jährigen Daunte Wright zu Protesten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany