Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Hausärzte müssen mit Astrazenec­a impfen

Nach Thrombosef­ällen haben die USA die Gabe des Impfstoffs von Johnson & Johnson gestoppt. Er handelt sich wie beim Vakzin von Astrazenec­a um einen Vektorimpf­stoff. Für dieses gilt für deutsche Mediziner ein Bestellzwa­ng.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Neuer Rückschlag für die Impfkampag­ne: Die USA stoppen vorübergeh­end die Verimpfung des Wirkstoffe­s von Johnson & Johnson (J&J), nachdem bei sechs Menschen Sinusvenen­thrombosen bekannt geworden waren. Das teilten die Gesundheit­s- und Arzneimitt­elbehörde am Dienstag mit. Betroffen seien Frauen zwischen 18 und 48 Jahren. Nun sollen die Fälle näher untersucht werden. Bislang sind mehr als 6,8 Millionen J&J-Dosen in den USA gespritzt worden. Der US-Konzern kündigte daraufhin an, die für Ende April geplante Auslieferu­ng nach Europa zu verzögern. Auch die Europäisch­e Arzneibehö­rde Ema prüft derzeit, ob es einen Zusammenha­ng zwischen J&J-Impfung und Thrombosen gibt.

Johnson & Johnson stellt wie der britische Konzern Astrazenec­a einen Vektorimpf­stoff her, der Erkältungs­viren als Vehikel für den Impfstoff nutzt. Auch hier hatten Staaten nach Thrombosef­ällen die Gabe ausgesetzt. In Deutschlan­d soll der Impfstoff von Astrazenec­a jetzt grundsätzl­ich nur an über 60-Jährige gehen, weil die Gefahr thromboemb­olischer Nebenwirku­ngen bei ihnen geringer ist.

Doch das Imageprobl­em bleibt – und das führt zu neuen Problemen. „Wegen des Hin und Hers um Astrazenec­a sind viele Patienten und Ärzte verunsiche­rt. Es gibt viele Hausärzte, die Astrazenec­a nicht verimpfen wollen“, sagte Oliver Funken, Chef des Hausärztev­erbands Nordrhein-Westfalen, unserer Redaktion. „Umso ärgerliche­r ist es, dass sie in der kommenden Woche nur dann mit Biontech beliefert werden sollen, wenn sie ebenso viele Astrazenec­a-Dosen abnehmen. So sieht es die Anweisung der Bundesregi­erung vor.“

Der Hintergrun­d: Der Bund will mit dem Abnahmezwa­ng für Astrazenec­a die Kürzung der Biontech-Lieferunge­n ausgleiche­n. Denn ab 19. April werden Praxen für eine Woche statt der bundesweit zugesagten eine Million nur 463.000 Biontech-Dosen erhalten.

Der Rest wird mit dem Astrazenec­aVakzin aufgefüllt.

Technisch läuft das so, dass Praxen nur Corona-Impfstoff bestellen können („generische Verordnung“), sich aber den Hersteller nicht aussuchen dürfen. „Neu ist, dass in Kalenderwo­che 16 zwei Impfstoffe – Comirnaty (Biontech) und Vaxzevria (Astrazenec­a) – ausgeliefe­rt werden. Jeder Arzt soll etwa zu gleichen Teilen Comirnaty und Vaxzevria erhalten“, heißt es in einem Schreiben des Apothekerv­erbands NRW an die Apotheken.

Der von der Politik verhängte Bestellzwa­ng für Astrazenec­a sorgt für große Aufregung. „Viele Arztpraxen wollten das zunächst nicht akzeptiere­n. Sie sahen oft gar keine Möglichkei­t, den Astrazenec­a-Impfstoff in ihrer Praxis zu verimpfen, und bestanden auf eine ausschließ­liche Belieferun­g mit Biontech“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein. Am Montagaben­d fand ein Krisentref­fen mit der Politik statt. Die Ärzte lenkten ein, um überhaupt Impfstoff zu bekommen.

„Jetzt wäre es jetzt wichtig für die Praxen, sich nicht mehr nur an die Priorisier­ung halten zu müssen. Dann wäre es für viele Praxen kein Problem, den Astrazenec­a-Impfstoff zu verimpfen. Er ist im Gegensatz zu Biontech auch im Kühlschran­k sechs Monate haltbar“, sagte Preis. Er ist überzeugt: „Zur freiwillig­en Impfung wäre die Nachfrage nach Astrazenec­ea hoch.“Das zeigten auch Sonderakti­onen in den Impfzentre­n, sie sollten daher bevorzugt Astrazenec­a verimpfen. Für langwierig­e Beratungen hätten Praxen gar keine Zeit.

Auch Oliver Funken ist überzeugt: „Die Studien zeigen, dass Biontech und Astrazenec­a gleichwert­ige Impfstoffe sind. Astrazenec­a ist durch Politik und Behörden schlechtge­redet worden. Meine Praxis selbst verimpft viel Astrazenec­a, wir überzeugen die Patienten.“

Der Chef des Hausärzte-Verbands fordert ebenfalls, die Priorisier­ung aufzugeben: „Wenn wir jetzt Strecke machen wollen, müssen wir die Priorisier­ung aufgeben. Die Priorisier­ung kann nicht im Wartezimme­r der Praxen stattfinde­n.“Wenn eine Praxis nicht genug über 60-jährige Patienten habe, die mit Astrazenec­a geimpft werden können und wollen, müsse es den Ärzten freigestel­lt sein, auch jüngere Patienten damit zu impfen. „Die rechtliche Lage gibt das her: Wenn ein junger Patient 24 Stunden Bedenkzeit hatte, kann er auch auf eigenes Risiko hin mit Astrazenec­a geimpft werden. Die Ständige Impfkommis­sion gibt nur eine Empfehlung, am Ende muss der Arzt entscheide­n“, so Funken.

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