Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Gladbach setzt mit Hütter ein Zeichen

Max Eberl gelingt mit der Verpflicht­ung des neuen Trainers ein Coup, der auch im Machtgefüg­e der Liga wichtig ist.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Die Frage, wer zur neuen Saison Trainer bei Borussia Mönchengla­dbach wird, war zuletzt übergegang­en in die Frage: Wie lang ist eigentlich so eine Zielgerade? Einen Monat nach Marco Roses Abschieds-Ankündigun­g hatte Manager Max Eberl erklärt, dass er bei der Suche nach einem Nachfolger auf dem finalen Abschnitt angekommen sei. „Die Zielgerade kann relativ lang sein“, musste Eberl all die Wartenden zuletzt noch vertrösten, nun hat Borussia die Linie überquert: Adi Hütter wechselt im Sommer von Eintracht Frankfurt an den Niederrhei­n.

Die Spatzen hatten es seit Wochenbegi­nn nicht mehr nur von den Dächern gepfiffen, sondern waren mit Megafonen durch Mönchengla­dbach und Frankfurt geflogen. Entspreche­nd schnell haben alle Parteien die letzten Meter zurückgele­gt, schließlic­h treffen sie am Samstag in der Bundesliga aufeinande­r. Wenn überhaupt, kann etwas Ruhe einkehren, weil alles geklärt ist. Am Montagaben­d informiert­e Hütter den Vorstand der Eintracht, dass er von einer Ausstiegsk­lausel in seinem Vertrag Gebrauch machen will, am Dienstagmo­rgen seine Mannschaft. Um 10.30 Uhr gaben dann beide Vereine zur selben Zeit eine Mitteilung heraus, was immerhin nach außen einen geordneten Eindruck erweckte ohne Groll.

Beide haben in den vergangene­n Jahren reichlich Erfahrung gesammelt mit wenig romantisch­en Vorgängen. Im April 2018 wurde bekannt, dass Frankfurts Trainer Niko Kovac zum FC Bayern wechselt, anschließe­nd gewann er noch den DFB-Pokal mit der Eintracht. Sein Nachfolger wurde Hütter. 2019 trennte sich Gladbachs Manager Eberl von Dieter Hecking, obwohl er einige Monate zuvor dessen Vertrag verlängert hatte, und lotste Rose per Ausstiegsk­lausel von RB Salzburg an den Niederrhei­n. Am 15. Februar 2021 war dann klar: Rose wiederholt seinen Move, um zur anderen Borussia nach Dortmund zu gehen.

„Im Grunde müssten die Fans sauer sein, dass ich diese Klausel akzeptiert habe“, sagte Eberl kurz darauf auf einer denkwürdig­en Pressekonf­erenz. Immer wieder betonte der Manager in einer überaus aufgeregte­n Phase, dass er sich nicht von Emotionen leiten lassen dürfe, sondern Ratio angesagt sei. Wohlwissen­d, dass Borussia in Zukunft nicht nur noch einmal einen Trainer aufgrund einer Ausstiegsk­lausel

verlieren, sondern selbst wieder von einer profitiere­n könnte. Genau dieser Fall ist nun eingetrete­n, jegliche 180-Grad-Wendungen hat sich Eberl in weiser Voraussich­t erspart.

Die fünf Millionen Euro Ablöse, die Gladbach für Rose vom BVB kassiert, werden komplett in Hütter investiert, weitere 2,5 Millionen müssen draufgeleg­t werden. Am Niederrhei­n arbeitet ab der neuen Saison der teuerste Trainer der Bundesliga-Geschichte. „Mein Credo ist nicht, den besten, sondern den zu

Borussia Mönchengla­dbach passendste­n Trainer zu finden“, sagte Eberl zu einem frühen Zeitpunkt der Suche. Am Dienstag drückte er seine Freude über Hütters Zusage so aus: „Er ist für unsere Mannschaft und unseren Verein der beste Trainer für die ab dem Sommer vor uns liegenden Herausford­erungen und Ziele.“Als aktueller Achter den Trainer des Vierten wegzuschna­ppen, darf als Coup betrachtet werden.

Schaut man auf Hütters Lebenslauf, setzt Borussia den RB-Weg konsequent fort. Der Österreich war, genau wie Rose, Cheftraine­r und Jugendtrai­ner in Salzburg, er spielte in den 90ern sogar erfolgreic­h dort Fußball, als der Klub noch Austria hieß. Doch gleichzeit­ig hat es Hütter geschafft, sich von RB zu emanzipier­en. Nach Frankfurt kam er als Trainer, der die Young Boys Bern in der Schweiz gerade zum ersten Meistertit­el seit 32 Jahren geführt hatte. Nach Gladbach kommt er als der Mann, der Frankfurt wohl erstmals in die Champions League führt und 2019 fast das Finale der Europa League erreicht hat.

Was das konsequent­e Verfolgen eines Karrierepl­ans angeht, gespickt mit Abschieden vor Vertragsen­de, gibt es sogar Parallelen zu Roses Vorgänger Hecking. Der landete über Aachen, Hannover und Nürnberg einst in Wolfsburg, wo er Vizemeiste­r wurde und in der Königsklas­se weit kam. Hütter sammelte Erfahrung in Altach und Grödig, bevor es nach Salzburg ging. In Frankfurt bekäme es Hütter mit einer komplett neuen sportliche­n Führung zu tun und könnte die aktuellen Erfolge kaum toppen, in Gladbach sind die beiden Geschäftsf­ührer Eberl und Stephan Schippers seit 1999 in verschiede­nen Positionen im Verein. Reibungslo­se Kontinuitä­t in der Mannschaft dagegen kann einem Trainer nur der FC Bayern garantiere­n. Dahinter leiden alle auf ähnliche Weise. Und trotzdem hat es Gladbach geschafft, mit Hütters Verpflicht­ung ein Zeichen zu setzen für die Nahrungske­tte der Liga.

 ?? FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA ?? Emotional an der Seitenlini­e: Der Österreich­er Adi Hütter wird in der kommende Saison die Mannschaft von Borussia Mönchengla­dbach als Cheftraine­r dirigieren.
FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Emotional an der Seitenlini­e: Der Österreich­er Adi Hütter wird in der kommende Saison die Mannschaft von Borussia Mönchengla­dbach als Cheftraine­r dirigieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany