Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Mit Gemüseanba­u die Böden stärken

Mit einem regenerati­ven Marktgarte­n hat sich Alexander Friebe einen Traum erfüllt. Es geht ihm aber um weit mehr als die Produktion guten Essens.

- VON GARNET MANECKE

GENEICKEN Wann seine Hände das letzte Mal so richtig sauber aussahen, weiß Alexander Friebe nicht. „Die Farbe der Erde geht überhaupt nicht mehr ab, egal wie viel ich schrubbe“, sagt er und schaut auf die dunklen Ränder rund um die Fingernäge­l. Als er 2019 das 5000-Quadratmet­er-Grundstück an der Sonnenstra­ße gepachtet hat, sahen seine Hände noch „ordentlich“aus. Nach gut einem Jahr Gemüseanba­u sieht man ihnen seine Berufung an. Mit „Zwei Morgen Land“hat er sich einen Traum erfüllt. „Es ist viel Arbeit und wirft momentan nicht viel ab, aber es ist genau das Richtige für mich“, sagt er über seinen regenerati­ven Marktgarte­n.

Auf diesem Grundstück geht es nicht nur um Gemüseanba­u. „Idealerwei­se soll es so sein, dass der Boden, wenn ich hier mal nicht mehr bin, besser ist als bei meinem Start“, sagt er. Und dafür tut er einiges. Was da wächst, wird nach ökologisch­en Gesichtspu­nkten angebaut. Gearbeitet wird nur mit natürliche­n Mitteln: bio-zertifizie­rtes Saatgut, Kompost für die Nährstoffe im Boden, auf denen Salate, Tomaten, Kartoffeln, Möhren und Kohl wachsen. In dem Pflanztunn­el, in dem im Sommer von 400 Pflanzen Tomaten geerntet werden sollen, wachsen zurzeit noch Postelein und Frühlingsz­wiebeln. Über das Jahr baut er über 40 Sorten Gemüse an.

Ein Beet ist mit einem bunten, etwas schiefen Schild gekennzeic­hnet: Kinder haben einen Regenbogen und Blumen darauf gemalt. „Wilde Hummeln und Mummpitz“steht drauf. „Das ist das Beet vom Kindergart­en“, sagt Friebe. Regelmäßig bekommt er von seinen jungen Nachbarn Besuch. Dann zeigt er ihnen, wie Essbares wächst, dass die Erde von Würmern gelockert wird und wie man Samenkörne­r in die Erde setzt. Und natürlich arbeiten die Kinder auch mit und gießen Pflanzen oder jäten Unkraut.

„Der Ort mitten in der Stadt ist ideal, weil so Städter wieder einen Bezug zur Lebensmitt­elprodukti­on bekommen“, sagt Friebe. Sein Wissen im Landbau hat er sich selbst angeeignet. Seit er 16 Jahre alt ist, liest er Bücher zum Landschaft­sbau. Damals hat er in dem Bereich gejobbt, der Grundstein für seine Leidenscha­ft. Aber bis er wirklich Land pachtete, probierte sich der nun 27-Jährige in anderen Berufen aus: „Ich habe eine Kleidersor­tierhalle vom Roten Kreuz geleitet, als Integratio­nshelfer einen Autisten zur Schule begleitet, war im Gartenland­schaftsbau und Postbote.“

Das Abenteuer seines regenerati­ven Marktgarte­ns ist angesichts des

Klimawande­ls auch eine Investitio­n in die Zukunft. „Mir war immer bewusst, dass meine Generation anderes zu tragen hat als die vorherigen“, sagt er. Mit seinem ersten heißen Sommer und dem jüngsten Winterinte­rmezzo hat er gespürt, was das bedeutet. „Jeder Wetterumsc­hwung ist existenzge­fährdend, weil das die Arbeit von mehreren Wochen zunichtema­chen kann“, sagt er.

Ursprüngli­ch sollte ein Großteil seines Gemüses an die Gastronomi­e geliefert werden. Den Rest wollte er an Endverbrau­cher via Abo-Kisten verkaufen. Durch die Pandemie musste Friebe umdenken. „85 Prozent verkaufe ich jetzt über Abos“, sagt er. Mit drei Restaurant­s in der Stadt arbeitet er zusammen. Auffallend ist seine Kundenstru­ktur: Die Hälfte seien junge Mütter, die für ihre Kinder etwas Gesundes auf die Teller bringen wollen. Die andere Hälfte seien Senioren, die sich an das Gemüse ihrer Jugend erinnerten. „Das ist für mich ein schönes Kompliment“, freut sich Friebe.

Der 27-Jährige tauscht sich gerne mit Kollegen aus. „Wenn ich eine Frage habe, darf ich zum Beispiel beim Lenßenhof anrufen“, sagt er. Auch mit anderen Betreibern regenerati­ver Marktgärte­n steht er in regelmäßig­em Kontakt. Die Zukunft liegt für Friebe im Boden – er bearbeitet sie mit seinen Händen.

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