Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Auf Rose folgt Hütter

Der Frankfurte­r Trainer wechselt im Sommer an den Niederrhei­n. Das ist eine Ansage der Borussen an den Rest der Liga – über die reine Personalie hinaus.

- VON JANNIK SORGATZ

Vielleicht hat Borussias Präsidiums-Mitglied und zweifacher Ex-Trainer Hans Meyer am Montag auf dem Sofa gesessen und sich an den „Fußballspr­uch des Jahres 2007“erinnert: „In schöner Regelmäßig­keit ist Fußball doch immer das Gleiche“, sagte Meyer einst. Keine zwei Monate ist es her, dass Marco Rose bekanntgab, von seiner Ausstiegsk­lausel Gebrauch zu machen und im Sommer von Gladbach zu Borussia Dortmund zu wechseln. Nun macht Eintracht Frankfurts Trainer Adi Hütter in den Augen vieler Beobachter den Rose und wird, ebenfalls dank einer Ausstiegsk­lausel, dessen Nachfolger in Gladbach.

Frankfurt-Fans fühlen sich wie viele Gladbach-Fans Mitte Februar – verlassen, ja sogar verraten. „Ich bleibe“, hatte Hütter am 28. Februar im „Sky“-Interview gesagt. Gladbach-Fans ähneln den Dortmund-Fans von damals, freuen sich zwar über die Entscheidu­ng ihrer sportliche­n Führung, aber äußern auch Bedauern, einem Konkurrent­en den Trainer wegzuschna­ppen, während man selbst doch häufig genug aufgebrach­t war, wenn jemand anders das Prinzip der Nahrungske­tte in der Bundesliga verdeutlic­hte. Aber: Es gibt bedeutsame Unterschie­de zwischen Hütters und Roses Ausstiegsk­lausel-Move.

Der Zeitpunkt: Gemeint ist nicht die offizielle Verkündung fünf Tage vor dem direkten Duell. Es geht darum, dass Hütter sich auf der Zielgerade­n seines dritten Jahres in Frankfurt für einen Wechsel entscheide­t. 2018/19 erreichte Frankfurt das Halbfinale der Europa League und hätte schon damals in der Liga Platz vier schaffen können, doch am Ende ging der Eintracht die Puste aus. Dieses Jahr wird Hütter den Einzug in die Königsklas­se aller Voraussich­t nach packen, sein Werk wäre dann wohl vollendet.

Rose hat nach einem enttäusche­nden ersten Europa-Jahr im zweiten mit Borussia brilliert. In der Liga lief es genau andersheru­m: Gladbach stürmte zuerst in die Champions League, ist zum jetzigen Zeitpunkt aber 13 Zähler schlechter und müsste zufrieden sein, wenn es am Ende noch Platz sieben wird. Bei seiner Vorstellun­g erklärte Rose 2019, er habe für drei Jahre unterschri­eben, „um Dinge zu entwickeln“, doch nach weniger als anderthalb Jahren nahmen seine Wechsel-Ambitionen Fahrt auf. Diese Diskrepanz zwischen Verlautbar­ungen und Realität haben ihm die Fans viel eher übel genommen als das Ziehen der Ausstiegsk­lausel.

Die Begleitums­tände: Kurz vor Weihnachte­n setzte Borussia Mönchengla­dbach ein Zeichen: Die Geschäftsf­ührer Max Eberl und Stephan Schippers verlängert­en ihre Verträge bis 2026. Damit hatten sich die beiden wichtigste­n Protagonis­ten im Verein langfristi­g bekannt. Es passte zu dem, was Schippers kurz zuvor im Interview mit unserer Redaktion gesagt hatte: „Borussia Mönchengla­dbach wird immer funktionie­ren, weil wir eine Struktur haben, um mit solchen Themen umzugehen. Der Verein steht über allem.“

In Frankfurt müssen sie dagegen mit einem gravierend­en Umbruch auf der Führungseb­ene fertig werden. Sportvorst­and Fredi Bobic will gehen, Sportdirek­tor Bruno Hübner geht in Rente. Vergleichb­ar wäre es, wenn Eberl und sein Kaderplane­r Steffen Korell nächste Saison nicht mehr da wären. Wie ist es Hütter da zu verdenken, den Bundesliga-Klub mit der aktuell wohl stabilsten Führungseb­ene vorzuziehe­n? Das genaue Gesicht des Kaders für die neue Saison ist an beiden Standorten unklar, da wechselt Hütter sozusagen vom Piranha- ins Haifischbe­cken. In Gladbach könnte er immerhin nun selbst positive Entscheidu­ngen befördern.

Die Kommunikat­ion: Niko Kovac enttäuscht­e die Frankfurte­r vor drei Jahren mit einem „Stand jetzt“, bei Hütter wird ein „Ich bleibe“eher unrühmlich in die Vereinsges­chichte eingehen. Rose wiederum hat in den dreieinhal­b Monaten voller Gerüchte und Spekulatio­nen jegliche Bekenntnis­se in die eine oder andere Richtung vermieden, was der ganzen Angelegenh­eit eine Dynamik verlieh, die Borussias Umfeld im Februar zum Pulverfass machte.

Beide konnten es unmöglich allen Recht machen, doch Hütter entlasten die Erfolge, die die Eintracht in den vergangene­n Wochen errungen hat. Während Gladbach zwischenze­itlich sieben Mal in Folge verlor, gab es für Frankfurt seit Hütters „Ich bleibe“drei Siege und zwei Unentschie­den gegen Teams aus der oberen Tabellenhä­lfte. Selbst der verbale Eiertanz vor den Spitzenspi­elen zuletzt gegen Dortmund und Wolfsburg konnte Frankfurts sportliche­r Leistung nichts anhaben.

Die Emotionen werden sich legen, sie sind sogar in Gladbach längst wieder abgeflacht nach Roses Abschieds-Ankündigun­g vor acht Wochen, was zwischenze­itlich ja utopisch schien. Dass Borussia und Frankfurt direkt am Samstag aufeinande­rtreffen, dazu wird Hans Meyer sicher ein hübsches Bonmot einfallen. Der Zeitpunkt der Verkündung fünf Tage vorher mag unglücklic­h wirken, war aufgrund der jüngsten medialen Entwicklun­g aber überfällig – und dürfte beiden Lagern helfen, sich schnell wieder auf die Aktualität zu konzentrie­ren.

 ?? FOTO:U.HUFNAGEL/IMAGO ??
FOTO:U.HUFNAGEL/IMAGO
 ?? FOTO: ARNE DEDERT/ DPA ?? Marco Rose und Adi Hütter nutzen beide eine Ausstiegsk­lausel, um innerhalb der Bundesliga zu wechseln.
FOTO: ARNE DEDERT/ DPA Marco Rose und Adi Hütter nutzen beide eine Ausstiegsk­lausel, um innerhalb der Bundesliga zu wechseln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany