Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Regional, saisonal, phänomenal
Kira und Jörg Engels verkaufen ihre Kartoffeln an Rewe, Heinz-Josef Hütten bietet Edeka sein Obst an. Doch die meisten Landwirte müssen ihre Produkte über andere Wege vermarkten.
MÖNCHENGLADBACH Regional – ein abgegriffenes Wort. Das findet zumindest Kira Engels, Landwirtin aus Mönchengladbach. Sie nennt ihre Kartoffeln und Möhren lieber „lokal“oder „heimisch“. „In den Supermärkten steht überall ‚regional', aber der Spargel kommt aus dem Münsterland“, sagt sie. Das Wort werde so ausgedehnt, dass es keine Bedeutung mehr habe. Wer einen Rewe-Markt in Mönchengladbach betritt, dem ist versprochen, dass zumindest die Kartoffeln aus der Region nicht 60 Kilometer entfernt angebaut wurden. Sie sind vom Finkenberger Hof, Engels Landwirtschaftsbetrieb.
Gemeinsam mit ihrem Mann Jörg verkauft Kira Engels schon seit mehr als fünf Jahren Speisekartoffeln an die Supermarktkette. „So eine Geschäftsbeziehung zu den großen Märkten einzugehen, ist gar nicht so einfach“, sagt die Landwirtin. „Die meisten haben zentrale Stellen, die die Produkte aus der ganzen Welt einkaufen.“Als Familienbetrieb mit saisonaler Ware sei man da nicht die erste Anlaufstelle.
Deshalb gebe es von den rund hundert Landwirtschaftsbetrieben in Mönchengladbach nur wenige, die ihre Produkte direkt an die Supermärkte liefern, sagt Juliane Wahode, stellvertretende Vorsitzende der Kreisbauernschaft und Landwirtin. Die meisten Kartoffelbauern, die ihre Pflanzen auf insgesamt achtzig Hektar Land anbauen, geben ihre Speisekartoffeln an Unternehmen, die sie sortieren und für den Einzelhandel in ein- oder zweieinhalb Kilosäcke verpacken. Denn das ist ein aufwändiges Verfahren, für das den meisten Betrieben die Kapazitäten fehlen. Kartoffeln, aus denen mal Pommes werden sollen, geben sie an Firmen, die sie zu Tiefkühlfritten
verarbeiten. Die landen im Supermarkt oder in der Gastronomie. Dass Letztere seit November geschlossen hat, wirkt sich negativ auf den Umsatz der Kartoffelbauern aus. Die Coronakrise geht an niemandem spurlos vorbei.
Doch in den vergangenen Jahren haben Wahode und Engels auch etwas Positives beobachtet: Die Kunden wollen verstärkt regional kaufen, sie fragen gezielter danach.
Zwar nicht so viele, wie sie sich das wünschen würden, „denn dann würde unser Geschäft hier durch die Decke gehen“, sagt Engels. Sie betreibt auf ihrem Hof einen Laden und verkauft ihre Ware auch online über das Konzept „Marktschwärmer“, das sie mit ihrem Mann Jörg nach Mönchengladbach geholt hat. Doch zumindest hätten die Supermarktketten auf den Trend zu regionalen Produkten reagiert.
Ihr Kollege Heinz-Josef Hütten, Landwirt auf dem Birkshof, hat diese Beobachtung auch gemacht. Seit Oktober 2020 verkauft er seine Äpfel, Birnen und Süßkirschen an die Edeka-Märkte in Mönchengladbach. „Die Kette hat im September bei mir angefragt“, sagt Hütten. Nachdem er schon drei Jahre lang den Online-Supermarkt Picnic mit seinem Obst beliefert und gute Erfahrungen gemacht hat, war
er angetan von dem Vorschlag. „Jetzt stehen meine Produkte gemeinsam mit Honig, Bier, Milch und Kartoffeln aus unserer Region in den Märkten“, sagt der Landwirt. Liefern kann er nur, wenn gerade Erntezeit ist. So sei das eben, wenn man saisonale Ware verkaufe: „Da kannst du nicht immer alles anbieten.“Wenn die Apfelernte im März erschöpft ist, gibt es erst im August wieder was. Da Supermärkte aber immer alles verfügbar haben wollen, behelfen sie sich in der Zeit mit den Äpfeln woanders. Von Juni bis August kann Hütten immerhin seine Süßkirschen anbieten.
Sein Obst liefert er auch an Schulen und Kindertagesstätten. Und jeden Freitag fährt er zum Finkenberger Hof, gibt die Ware ab, die die Kunden über das Online-Portal „Marktschwärmer“bestellt haben. Eineinhalb Stunden steht er dann dort mit den anderen Landwirten bereit, beantwortet alle Fragen. „Die Menschen freuen sich, wenn sie auch mal den Landwirt hinter dem Produkt kennenlernen können“, sagt Hütten. Manche fahren auch mal zu seinem Hof und schauen, ob es diesen Bauern, der da bei Edeka in der Obstabteilung angepriesen wird, auch wirklich gibt. Das zeigt ihm, dass die Kunden seine regionalen Produkte wirklich wollen. Und sie auch wertschätzen. „Wenn sich das noch mehr im Einkaufsverhalten widerspiegelt, wäre den Betrieben hier in der Gegend sehr geholfen“, sagt Hütten.
Fest steht: Der Verbraucher hat es mit seinem Einkaufsverhalten in der Hand. Wer auf regionale Produkte besteht, unterstützt die Landwirte in Mönchengladbach.