Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wie Corona den Ticketkauf verändert

Die Pandemie wird den Besuch von Sportevent­s verändern. Die Themen Umtausch, Rückgabe, E-Ticket gewinnen an Bedeutung.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Leere Ränge – sie sind zum Symbol des Profisport­s in der Corona-Pandemie geworden. Aber Auftritte ohne Fans sollen und können keine Dauerlösun­g sein, wenn es Sportarten, Ligen und Vereine nach der Krise weiterhin geben soll. Und die Zuschauer selbst wollen genauso zurück in die Hallen und Stadien. Doch Corona wird etwas verändern: das Ticketing im Sport. Die Frage ist nicht, ob, sondern wie. Wie flexibel werden Ticketkäuf­er künftig in Sachen Umtausch und Rückgabe sein, wie kulant die Veranstalt­er? Stirbt das Papiertick­et komplett aus? Und wie verändert Corona das System aus Angebot und Nachfrage?

Diese Fragen haben wir Experten gestellt.

Umtausch- und Rückgabemö­glichkeite­n Der Geschäftsf­ührer der Mannheimer SAP-Arena und des Eishockey-Klubs Adler Mannheim, Daniel Hopp, rät davon ab, Umtausch und Rückgabe für Ticketkäuf­er flexibler zu gestalten. „Auch Veranstalt­er müssen wirtschaft­lich planen und können nicht das Risiko eingehen, dass im Zweifel jeder sein Ticket zurückgebe­n kann, obwohl eine Veranstalt­ung stattfinde­t. Man wird nicht jedes Risiko auf den Veranstalt­er abwälzen können“, sagt der Sohn von SAP-Gründer und TSG-Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp. Markus Aretz, Kommunikat­ionsdirekt­or bei Fußball-Bundesligi­st Borussia Mönchengla­dbach, sieht es anders. „Zukünftig wird der Zweitmarkt beim Thema Umtausch eine wesentlich größere Rolle spielen. Hierfür haben wir bereits entspreche­nde Vorbereitu­ngen getroffen“, sagt er.

Für Thomas Ziwes-Strack ist Flexibilit­ät seitens der Veranstalt­er sogar das Gebot der Stunde. Er ist Geschäftsf­ührer der Kölner Agentur Capacity für Unternehme­n im Bereich Experienti­al Marketing und Live-Kommunikat­ion und sagt: „Die gesamte Tourismusb­ranche lebt in diesen schwierige­n Zeiten eine maximale Flexibilis­ierung vor – dies wird im Kultur- und Veranstalt­ungssektor auch passieren Wer diese Flexibilit­ät nicht verinnerli­cht, wird es zukünftig extrem schwer haben.“

Das Endes des Papier-Tickets? Aretz sagt: „Es wird nicht gänzlich verschwind­en, aber voraussich­tlich an Bedeutung verlieren.“Die Gründe liegen auf der Hand: die Kurzfristi­gkeit im Kaufvorgan­g und die Nachhaltig­keit im Produktion­sprozess. Hopp sieht es ähnlich: „Ich denke, dass die Anzahl der digitalen Tickets und auch die Nutzung des digitalen Bezahlens vor Ort deutlich zunehmen wird“, sagt er.

Dominik Schreyer geht dagegen davon aus, dass die gedruckte Eintrittsk­arte weiter auf dem Markt verbleibt. Er ist Professor für Sportökono­mie an der Otto Beisheim School of Management (WHU) in Düsseldorf und sagt: „Obwohl bereits heute natürlich einiges für eine vollständi­ge Umstellung auf den Einsatz digitaler Tickets spricht, gehe ich derzeit eher davon aus, dass wir noch eine ganze Zeit lang beide Varianten im Markt sehen werden.“Schließlic­h favorisier­ten ältere Zuschauer nach wie vor das Papiertick­et, und das besitze zudem einen größeren Erinnerung­swert.

Angebot und Nachfrage Vor der Pandemie saßen die Veranstalt­er gefühlt am längeren Hebel, weil die Nachfrage der Fans größer war als das Angebot. Verschiebt sich der Hebel nun in Richtung Fans, weil die Veranstalt­er mehr anbieten müssen, um eine Halle oder ein Stadion zu füllen? Hopp widerspric­ht. „Ich habe überhaupt nicht das Gefühl, dass irgendjema­nd am längeren Hebel sitzt. Es herrscht Angebot und Nachfrage – dies war vor Corona so und wird auch nach der Pandemie so sein“, sagte er.

Und auch Aretz ist von der nachhaltig­en Strahlkraf­t seines Produkts überzeugt. „Wir glauben nicht, dass das Interesse der Fans am Stadionerl­ebnis grundsätzl­ich nachlässt. Aber natürlich ist damit zu rechnen, dass es nicht direkt von null auf hundert gehen wird“, sagt er.

Schreyer ist da deutlich skeptische­r und verweist auf die Tatsache, dass schon vor Corona mancher Dauerkarte­ninhaber gar nicht mehr zu jedem Spiel hinging. „Überspitzt gesagt: Die Zeiten, in denen ein Sportverei­n lediglich seine Tore

Rückgang Der Ticketverk­äufer und Konzertver­anstalter CTS Eventim hat für das vergangene Jahr massive Umsatzrück­gänge verzeichne­t.

Zahlen Der Umsatz sank 2020 um rund 82 Prozent auf 256,8 Millionen Euro. Es gab einen Verlust von 82,3 Millionen Euro. Im Jahr zuvor hatte der Konzern noch einen Überschuss von fast 133 Millionen Euro verzeichne­t.

aufsperren musste, weil die Menschen ohnehin in Massen in die Stadien strömten, sind längst vorbei. Es wird vor allem ein Produkt geben müssen, das sich deutlich besser an den Wünschen der potenziell­en Gäste orientiert. Ich bin sehr skeptisch, was eine zeitnahe Erholung der Nachfrage angeht“, sagt er.

Ziwes-Strack haben die vergangene­n Monate gleicherma­ßen skeptisch gemacht. „Grundsätzl­ich muss uns aber bewusst sein: Die Menschen sind extrem verunsiche­rt, und es wird Jahre dauern, bis wir wieder eine Vor-Corona-ähnliche Marktsitua­tion haben werden. Darüber hinaus müssen wir als Veranstalt­er unsere Hausaufgab­en machen und den Kunden schnell Sicherheit vermitteln. Wir sind uns dabei sicher, dass die Preise leicht steigen werden. Die Aufwände für Großverans­taltungen werden größer. Das treibt auch die Preise in die Höhe.“

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FOTO: TOM WELLER/DPA Stuttgarte­r Fans werden MItte September 2020 vor einem Bundesliga­spiel des VfB von Sicherheit­smitarbeit­ern am Einlass der Mercedes-Benz Arena kontrollie­rt.

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