Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Fakt gegen Fake
Falschmeldungen zu entlarven, gehörte schon immer zum Tagesgeschäft von Redaktionen. Doch Fake-News tarnen sich raffiniert. Vor allem hat ihre Verbreitung dramatisch zugenommen. Qualitätsmedien stellen sich einer neuen Herausforderung.
unabhängig vom Wahrheitsgehalt einen hohen Aufmerksamkeitsgrad.
Digitale Söldner organisieren im Auftrag von Regierungen Desinformationskampagnen. Fliegen diese auf, lässt sich die Spur kaum in die Hauptstädte zurückverfolgen. Die gezielte Verbreitung der Verschwörungstheorie, dass Hillary Clinton Teil eines Netzwerks von Kinderschändern sei, mag mit zu ihrer Wahlniederlage 2016 beigetragen haben. Oder der Fall Lisa schlug hohe Wellen: Am 11. Januar 2016 verschwand die damals 13-Jährige Russlandddeutsche in Berlin auf dem Heimweg von der Schule. Am nächsten Mittag taucht sie wieder auf und behauptet, drei „Südländer“hätten sie missbraucht. Obwohl rasch klar war, dass sie tatsächlich die Nacht bei ihrem Freund zugebracht hatte, verbreiteten russische Medien weiter Falschmeldungen: „13-Jährige vergewaltigt – Politik und Medien schweigen.“Schließlich protestierte sogar der russische Außenminister. Die Flüchtlingsunterkunft gegenüber Lisas Schule wurde attackiert. Hunderte Russlanddeutsche zogen vor das Kanzleramt.
Es stimmte auch nicht, dass der französische Präsident Emmanuel Macron getanzt haben soll, während die Gelbwesten Paris verwüsteten. Ein millionenfach geteiltes Video, das dies angeblich belegt, war erwiesenermaßen zu einer ganz anderen Zeit entstanden. Nein, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sucht keine Statisten für Demonstrationen gegen rechts. Und nein, die Stadt Stuttgart verteilt keine Bordellgutscheine an Flüchtlinge.
Derartige Inhalte werden nicht nur in Redaktionen mit hoher Sensibilität
geprüft, wobei unabhängige Experten und Studien helfen. Mitunter werden Falschmeldungen gar nicht mehr von Menschen, sondern von ausgeklügelten Computerprogrammen in die Welt gesetzt. Schon seit zehn Jahren entlarvt etwa der Verein Mimikama in Österreich systematisch Fake News, vor allem im deutschsprachigen Raum. Zwischen 100 und 120 Anfragen gehen täglich in Wien ein.
Und die Zahl der Fakten-Checker wächst: Inzwischen sind viele journalistische Spezialabteilungen mit der Verifizierung beschäftigt. Dazu zählen der Faktenfinder von Tagesschau.de, das Recherchekollektiv Correctiv oder Spezialseiten wie hoaxmap.org. In Brüssel etwa arbeitet ein Team, das sich auf die Entlarvung von Desinformation aus Russland spezialisiert hat. Und natürlich sorgen auch die Nachrichteagenturen dafür, dass keine Falschmeldungen über den Ticker gehen.
Die Wahrheit tritt selten von alleine hervor, ohne guten, glaubwürdigen Journalismus schon gar nicht. Tatsächlich gibt es viele Erfolge im Kampf gegen Fake News – auch die Rheinische Post stellt sich jeden Tag dieser Verantwortung. Auch wenn der Krieg vermutlich nie gewonnen wird, geht es doch darum, möglichst viele Schlachten für sich zu entscheiden. Das Ergebnis dieser Bemühungen macht Mut: Medien in Deutschland sind einer Studie zufolge für mehr Menschen glaubwürdig als noch vor Jahren. 67 Prozent der von Infatest Dimap im Auftrag des WDR Ende 2020 Befragten halten die Informationen in den Medien alles in allem für glaubwürdig. 2019 lag der Wert bei 61 Prozent.