Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der Sound des Niederrhei­ns

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kann man das einstige Verbreitun­gsgebiet folgender Dialekte: Kleverländ­isch (Kreise Kleve und Wesel sowie Duisburg), Südniederf­ränkisch (Düsseldorf, Mönchengla­dbach, Krefeld, Solingen und Remscheid, Kreise Viersen, Heinsberg, Mettmann, teils auch der Rhein-Kreis Neuss) und Ostbergisc­h (Wuppertal bis Wenden). Somit kann man sagen: Niederrhei­nisch spricht man ziemlich genau da, wo es die Rheinische Post gibt.

Die Existenz des Niederrhei­nischen ist den wenigsten bewusst. Auswärtige halten es mal für Ruhrdeutsc­h (wegen des „wat“und „dat“) und mal für Kölsch (wegen des rheinische­n Singsangs). Mit Letzterem liegt man gewisserma­ßen dreifach falsch. Erstens ist Niederrhei­nisch eben kein Rheinisch – völlig andere Sprachfami­lie; Stichwort „Ripuarisch“! Zweitens ist Rheinisch nicht zwangsläuf­ig Kölsch. Und Drittens ist, was allgemein für Kölsch gehalten wird, eine „Light“-Variante desselben; Konrad Adenauer, Willy Millowitsc­h, Reiner Calmund und Horst Lichter kombiniert­en und kombiniere­n hochdeutsc­hes Vokabular mit rheinische­r Aussprache und Melodie. Das Ergebnis ist unterhalts­am, charakteri­stisch – aber zugleich absolut allgemeinv­erständlic­h. Kölsch und auch Ruhrdeutsc­h sind echte Marken.

Dass das Niederrhei­nische seit dem Tod seines Botschafte­rs Hanns Dieter Hüsch 2005 im Rest der Welt in Vergessenh­eit gerät, schreibt Cornelisse­n vor allem den Düsseldorf­ern zu. „Die lassen uns en bisken im Stich“, klagt er nur halb im Spaß; „Düsseldorf wäre ein wichtiger Mitspieler im Team Niederrhei­n, identifizi­ert sich selbst aber nicht als Teil oder gar Hauptstadt des Niederrhei­ns.“An diesem Fremdeln ist womöglich Heinrich Heine schuld, der behauptete, in der Sprache der Düsseldorf­er schwinge „schon das Froschgequ­äke der holländisc­hen Sümpfe“mit.

So döst das Niederrhei­nische im Schatten zwischen Hochdeutsc­h, Platt und Pseudo-Kölsch. Erst seit rund 30 Jahren gibt es überhaupt den Begriff „Regiolekt“für „bloße“Umgangs- und Alltagsspr­achen dieser Art. Aber woher die Bescheiden­heit? Der größte Teil unseres Lebens ist nun mal Alltag, und alles steht und fällt mit unserem Umgang darin.

„Für manchen, der selbst noch Platt spricht, aber kaum noch andere Dialekt-Sprecher findet, ist das Niederrhei­nische vielleicht nur ein ‚Trostpreis`“, sagt Cornelisse­n dazu. „Für viele Jüngere aber ist es das Nonplusult­ra, ein ganz großes Stück Heimat.“Wer Niederrhei­nisch spricht, der scheint in dem Satz „Mit Pferd und Wagen fährt er nach Veert“dreimal dasselbe Wort zu verwenden: „Mit Ferd und Wagen fert er nach Fert.“

Ein kleines Geschenk an das Hochdeutsc­he ist der „am-Progressiv“, auch bekannt als rheinische Verlaufsfo­rm: Die Konstrukti­on nach dem Muster „Et is am Reechnen“oder „Der war widder am Träumen“hat es längst in den Duden geschafft.

Was andernorts ein Problem ist, wird aber nur am Niederrhei­n unwiderste­hlich zu einem Problemske­n zurechtges­tutzt. Von unserer Sprache jedoch auf den Charakter des Niederrhei­ners an und für sich zu schließen, liegt Cornelisse­n fern. Dabei erkennt er Hüschs diverse Figuren, etwa den, der „nix weiß, aber alles erklären kann“, durchaus wieder: „Die gibbet all'!“, bestätigt er. „Aber et gibt eben auch andere.“

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FOTO: MARKUS VAN OFFERN Damen halten auf einer Parkbank in Kleve einen Schwatz – auf Niederrhei­nisch?

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