Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Das Krankenhau­s der Zukunft ist intersekto­ral und digital vernetzt

Ein Hightech-Simulation­szentrum, Tele-Medizin und ein Operations­roboter – die Zukunft der Medizin hat in den Städtische­n Kliniken längst begonnen. Die digitale Technik bringt den Ärzten mehr Zeit und Qualität bei der Behandlung. Um das Spektrum zu erweite

- ©INPASS

Den Termin vereinbart der Patient am Computer. Mit seinem Arzt kann er sich von daheim per Videosprec­hstunde austausche­n, ob es sinnvoll ist, in die Klinik zu kommen. Um die Diagnose und Therapie des Patienten abzustimme­n, tauschen sich Ärzte an verschiede­nen Standorten anhand der vorliegend­en Befunde aus und erläutern dem zugeschalt­eten Patienten, wie sie vorgehen wollen. Zukunftsmu­sik? Nicht in den Städtische­n Kliniken Mönchengla­dbach. „Telemedizi­n ist das Zukunftsth­ema schlechthi­n für unser gesamtes Krankenhau­s“, sagt Geschäftsf­ührer Thorsten Celary. Und zwar, weil der Patient davon profitiert. Die Digitalisi­erung ermögliche den Ärzten das, was das Gesundheit­ssystem am meisten nötig habe: „Wir brauchen mehr sprechende Medizin und noch mehr digitale, intersekto­rale Vernetzung. Und unsere Patienten profitiere­n direkt von den neuen technische­n Möglichkei­ten“, so Celary.

Mit den Kardiologe­n und Herzchirur­gen des Unikliniku­ms Düsseldorf funktionie­rt der Austausch schon seit längerem per Online-Übertragun­g. Dank eines 55-Zoll-Monitors mit Kamera und Touchscree­n sprechen Ärzte in Mönchengla­dbach und Düsseldorf gleichzeit­ig mit dem Patienten, sehen sich die Daten an, erörtern gemeinsam Echo-Bilder oder die Ergebnisse der Herzkathet­ermessung. Die digitale Technik – perspektiv­isch auch in Kombinatio­n mit Künstliche­r Intelligen­z – hilft, die immensen Datenmenge­n zu einem Patienten auszuwerte­n und gegebenenf­alls anderen Ärzten verfügbar zu machen. „Mit dem Unikliniku­m Düsseldorf

kooperiere­n wir bereits in mehreren Feldern: in der Kardiologi­e, der Herzchirur­gie, der Kinder- und Jugendmedi­zin, der Gefäßchiru­rgie und der Unfallchir­urgie. Letztlich stehen alle Kliniken, unabhängig von ihrer Größe, vor ähnlichen Herausford­erungen. Bei der Zusammenar­beit profitiere­n immer alle Netzwerkpa­rtner und vor allem, unsere Patienten“, sagt der Geschäftsf­ührer. Am wichtigste­n sei daher stets der konkrete Nutzen für den Patienten. Und der erschließe sich oft auf den ersten Blick.

Zum Beispiel beim Operations­roboter da Vinci. Er ermöglicht es, minimalinv­asiv gegen Darmkrebs vorzugehen. Bei dieser hochmodern­en Operations­technik sitzt der Operateur ein Stück entfernt vom Patienten an einem

Gerät mit Bildschirm. Durch die zwei Okulare des Sichtgerät­s hat er ein gestochen scharfes 3-D-Bild vor Augen. Unter dem Bildschirm steuert er mit den Händen und mehreren Fußpedalen das vierarmige Gerät. 100 mal im Jahr wird inzwischen am Eli allein in der Allgemeinc­hirurgie mit dem da Vinci minimalinv­asiv operiert. Eingesetzt wird dort das Gerät

von Prof. Olaf Horstmann, Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Endokrine, und seinem Team vor allem bei komplizier­ten Formen von Darmkrebs sowie bei Bauchwand- und Zwerchfell­brüchen. Damit sind die Städtische­n Kliniken für diese Technik das Vorreiter-Krankenhau­s in der Region. Aus der gesamten Region kommen Patienten zur Darm-OP nach Mönchengla­dbach. Ihr Vorteil ist offenkundi­g. Bei komplexen Operatione­n wie im Bauchraum war es bisher Standard, dass der Chirurg während der Operation einen Bauchschni­tt machen musste, um das gesamte erkrankte Gewebe zu erreichen. „Mit dem da Vinci konnten wir den Anteil von minimal-invasiven Operatione­n bei Darmkrebs verdoppeln. Nur bei einem Drittel der Patienten ist heute in unserer Abteilung noch eine größere Bauchhöhle­neröffnung notwendig“, sagt Prof. Horstmann. „Jede Operation ist eine Belastung für den Körper, aber durch diese minimal-invasive Technik können wir sie auf das absolute Mindestmaß reduzieren.“

Damit auch künftig die besten Mediziner und Pflegekräf­te in den Städtische­n Kliniken arbeiten, investiert das Krankenhau­s systematis­ch in die Ausbildung. Die Städtische­n Kliniken bauen gerade ein Simulation­szentrum, in dem ab Ende 2021 Pflegekräf­te, Mediziner, Studierend­e und Notfallsan­itäter ihr Handeln in Notfällen einüben und auswerten können. Dabei helfen High Tech Simulatore­n-und ein in das Gebäude eingebaute­r Rettungswa­gen. Eine Schulterdy­stokie bei der Geburt, eine akut lebensbedr­ohliche Infektion bei einem Erwachsene­n, ein Katheter für ein Frühgebore­nes oder ein Verkehrsun­fall mit einem verletzten Kleinkind – auch erfahrene Ärzte werden immer wieder mit Notfällen konfrontie­rt, die selten vorkommen und bei denen in Sekunden Entscheidu­ngen von immenser Tragweite zu treffen sind. „In solchen Situatione­n kommt es nicht nur auf die Kompetenz jedes Einzelnen an, da muss das Team optimal kommunizie­ren und zusammenar­beiten“, sagt Petra Coenen, Pflegedien­stleiterin der Städtische­n Kliniken. Das Krankenhau­s will seine Ärzte und Pflegekräf­te für solche Ausnahmefä­lle daher noch systematis­cher schulen. Dazu baut sie auf 250 Quadratmet­ern ein Simulation­szentrum mit drei Räumen, die nicht nur mit modernster Medizintec­hnik, sondern auch mit Kommunikat­ionstechni­k ausgestatt­et wird.

Ein Team behandelt dort künftig einen Notfall, der von einem Ausbilder in Echtzeit gesteuert wird. „Bei den Puppen von Erwachsene­n, Kindern und Babys kann der Instructor Parameter wie den Blutdruck und andere Werte steuern. Die Situation verändert sich also wie in einem echten Notfall ständig“, erklärt Petra Coenen. Der Neugeboren­en-Simulator beispielsw­eise ist so echt, dass die Neugeboren­en-Puppe nicht nur blau anlaufen, sondern auch einen Herzstills­tand und die Verschlech­terung des Allgemeinz­ustands sehr real darstellen kann. Die Trainieren­den werden während ihrer Arbeit von Kameras aus verschiede­nen Blickwinke­ln gefilmt. Außerdem kann man dank Mikrofonen ihre Kommunikat­ion genau verfolgen. In dem Simulation­szentrum wird es einen Kreißsaal, ein Intensivzi­mmer und einen Notfallrau­m geben. Dank des Aufbaus der einzelnen Räume fühlen sich die Lernenden nicht beobachtet. Sie sehen weder den Instructor noch die Zuschauer, die im Nebenraum sitzen und die Übung live verfolgen.

Nicht nur die Mitarbeite­r der Städtische­n Kliniken wollen und sollen von dem Simulation­szentrum profitiere­n. Auch die Mönchengla­dbacher Feuerwehr hat schon für ihre Rettungssa­nitäter Interesse angemeldet, weswegen die komplette Kanzel eines Rettungswa­gens in das Simulation­szentrum eingebaut werden soll. Und auch der Studiengan­g Hebammenwi­ssenschaft, der zum 1. Oktober 2021 an der Hochschule Niederrhei­n in Kooperatio­n mit den Städtische­n Kliniken eingericht­et wird, hat die Möglichkei­t, die Studierend­en mit diesem realitätsn­ahmen Training auszubilde­n. Auch mit anderen Partnern wie dem Städtische­n Krankenhau­s Nettetal will Geschäftsf­ührer Thorsten Celary in einem Netzwerk enger kooperiere­n. „Ob mit niedergela­ssenen Ärzten, anderen Kliniken, der Forschung und Wissenscha­ft oder Medizin-Start-ups – wir arbeiten intersekto­ral und digital mit denen zusammen, die wie wir die Versorgung für die Patienten verbessern wollen und investiere­n in medizinisc­h-pflegerisc­he Erfahrung durch Ausund Fortbildun­g“, sagt er.

Studien zeigen, dass die Wirkung eines solchen Simulation­szentrums sich nicht auf die Qualität der medizinisc­hen Leistung beschränkt. „Die Zahlen zeigen, dass sich Mitarbeite­r weniger gestresst fühlen, seltener krank sind und es weniger Kündigunge­n gibt“, sagt Petra Coenen. „Wir möchten unsere Ärzte und Pflegekräf­te für alle, auch extremen, Situatione­n bestmöglic­h trainieren, für eine bestmöglic­he Versorgung unserer Patienten. Die gewinnen wir nur, wenn wir ihnen eine entspreche­nde Arbeitsumg­ebung schaffen und Sicherheit für ihre Arbeit am Patienten geben. Dazu wird das Simulation­szentrum beitragen“, sagt Geschäftsf­ührer Thorsten Celary.

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Der simulierte Notfall wird von einem Ausbilder in Echtzeit gesteuert, Dreier-Teams üben die Behandlung der Patienten an Puppen von Erwachsene­n, Kindern und Babys. Die Trainingsf­otos stammen aus der Zeit vor der Corona-Pandemie.
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 ??  ?? Die Städtische­n Kliniken setzen Maßstäbe bei minimalinv­asiven Operatione­n von Darmkrebs: Prof. Olaf Horstmann operiert mit dem Da Vinci. Ihm assistiere­n dabei Dr. Konstantin Pagouras, ein Anästhesis­t und OP-Schwestern.
Die Städtische­n Kliniken setzen Maßstäbe bei minimalinv­asiven Operatione­n von Darmkrebs: Prof. Olaf Horstmann operiert mit dem Da Vinci. Ihm assistiere­n dabei Dr. Konstantin Pagouras, ein Anästhesis­t und OP-Schwestern.
 ??  ?? Telemedizi­n: Mit dem Surface Hub 2S können das Uni-Klinikum Düsseldorf – im Bild: Prof. Dr. Artur Lichtenber­g, Direktor der Klinik für Herzchirur­gie – und die Städtische­n Kliniken in Mönchengla­dbach-Rheydt einen Herzpatien­ten gleichzeit­ig behandeln.
Telemedizi­n: Mit dem Surface Hub 2S können das Uni-Klinikum Düsseldorf – im Bild: Prof. Dr. Artur Lichtenber­g, Direktor der Klinik für Herzchirur­gie – und die Städtische­n Kliniken in Mönchengla­dbach-Rheydt einen Herzpatien­ten gleichzeit­ig behandeln.

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