Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Borussia hat die Zutaten für den Europa-Endspurt
Alles, was im Rheinland zum zweiten Mal passiert, wird zur Tradition. Trainer Marco Rose hatte in zwei Spielzeiten also genügend Zeit, einige Traditionen zu begründen, bevor er nach Westfalen weiterzieht. Im Pokal zweimal an seinem künftigen Arbeitgeber aus Dortmund zu scheitern, ist damit allerdings nicht gemeint. Das Aus kam einmal früh, einmal erst im Viertelfinale. In Europa war die erste Saison dürftig, die zweite dafür historisch. Das traditionelle Rose-Abschneiden in den Pokal-Wettbewerben gibt es also nicht, ebenso wenig in der Bundesliga, wo Borussia mit mindestens sieben Punkten weniger ins Ziel kommen wird als vergangene Saison.
Doch nach dem 4:0 gegen Eintracht Frankfurt und der besten Leistung in der Liga in dieser Saison deutet einiges darauf hin, dass Rose vor seinem Abschied noch eine Tradition starker Endspurts begründen kann. 2020 eroberte Gladbach mit drei Siegen zum Abschluss Platz vier zurück. Nun haben die Borussen mit einem Zehn-Punkte-Zwischensprint die Basis gelegt, dass der letzte Eindruck wieder ein starker wird. Roses Mannschaft hat gegen die Eintracht so gut wie alles richtig gemacht. In einer Saison, in der es fast immer etwas zu mecker gibt, verblüfft diese Erkenntnis so sehr, dass man noch mal nachdenken muss. Aber nein: Diese Leistung wird am Ende der Rose-Zeit als eine der besten hängen bleiben.
Borussias größte Stärke gegen Frankfurt war ihre Widerstandsfähigkeit. Die benötigte sie schon von Beginn an: In Yann Sommer, Christoph Kramer und Lars Stindl fehlte die Achse. Die Standards wurden dann zum Fundament: Matthias Ginter vollstreckte vorne, hinten verursachte Denis Zakaria einen unnötigen Eckball, den Stefan Ilsanker beinahe zum 1:1 nutzte, doch Tobias Sippel parierte herausragend. In der Folge war wieder Widerstandsfähigkeit gefragt: Eine Fehlentscheidung wie die von Schiedsrichter Deniz Aytekin, als Ilsanker den Schuss von Ramy Bensebaini regelrecht mit den Händen abfing und es keinen Elfmeter gab, kann nicht nur einer wankelmütigen Mannschaft gerne mal den Stecker ziehen. Doch Leidenschaft, Klasse und Spielglück wechselten sich genau in den richtigen Momenten ab.
Nach einer weiteren strittigen Szene und vergebenen Möglichkeiten kam eine weitere Zutat ins Spiel, die sonst häufig fehlt: Wut. Sie steckte sowohl in Jonas Hofmanns Schuss zum 2:0 als auch in Florian Neuhaus feiner Vorlage. Jeder äußert seine Gefühle am Ball eben anders.
Die Zutaten für ein erfolgreiches und versöhnliches Ende hat Borussia parat. Dass sie den Aberglauben auch noch mit ins Boot nimmt, kann nicht schaden: Die Krise wurde auf Schalke in weißen Trikots und schwarzen Hosen beendet, gegen Freiburg und Frankfurt gab es in dem Outfit zwei Heimsiege, nur in Berlin war es nicht erlaubt. Am Mittwoch in Hoffenheim wäre Weiß-Schwarz wieder möglich. Doch Borussia tritt nun wieder auf wie eine Mannschaft, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen kann.
JANNIK SORGATZ