Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Auf Biegen und Brechen
Nun ist es also doch ein erbitterter Kampf geworden: Fünf Monate vor der Bundestagswahl streiten der CDU-Vorsitzende Armin Laschet und der CSU-Chef Markus Söder unnachgiebig um die Kanzlerkandidatur.
Er lese jetzt William Shakespeare. Da werde so manches vorempfunden, was die Union derzeit auf offener Bühne und hinter den Kulissen aufführe, schreibt am Sonntagmittag jemand, der mit den Protagonisten gut vertraut ist.
Der Machtkampf zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder um die Kanzlerkandidatur der Union schwelt weiter. Ein selbst gesetztes Ultimatum verstrich am Sonntag, ohne dass sich bis zum frühen Abend etwas Entscheidendes getan hätte. Die beiden Parteichefs seien in „dauerhaftem Kontakt“, hieß es. Übersetzt heißt das: Keiner will weichen, es gibt bislang keine einvernehmliche Lösung.
Doch der Druck in der Union wird zunehmend größer. „Ich erwarte von den Parteivorsitzenden, dass sie bis morgen eine gemeinsame Lösung präsentieren. Diese werden wir als Hamburger Landesverband geschlossen mittragen und unterstützen“, sagt der Hamburger CDU-Vorsitzende Christoph Ploß unserer Redaktion am Sonntag. „Sollte es nicht zu einer Einigung kommen, kann über die Kanzlerkandidatur nur die Bundestagsfraktion als einziges gemeinsames Gremium von
CDU und CSU entscheiden. Falls es auch am Dienstag in der Fraktion zu keiner Einigung kommt, wird die Hamburger CDU vorangehen und sich bei der K-Frage positionieren.“
Tatsächlich liegen mittlerweile etliche Vorschläge auf dem Tisch, den Chefs der beiden Schwesterparteien die Entscheidung aus der Hand zu nehmen. Der baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum sammelt derzeit Unterschriften von Unionsabgeordneten, die für eine Entscheidung über die K-Frage in der Fraktionssitzung am kommenden Dienstag plädieren. „Durch die hohe Zahl an Direktmandaten – so viele wie in keiner Legislatur zuvor – ist die Fraktion ein Basisgremium. Jeder unserer Abgeordneten hat sein Ohr ganz nah an der Basis. Deswegen ist die Fraktion das einzig richtige Gremium, um eine abschließende Klärung in dieser Frage herbeizuführen“, sagt Krichbaum.
Zugleich betont der Vorsitzende des Ausschusses für EU-Angelegenheiten, eine Klärung der Frage zwischen Laschet und Söder zu bevorzugen. „Keiner will eine Entscheidung in der Fraktion erzwingen, und keiner kann ein Interesse daran haben, dass es am Ende einen Sieger und einen Besiegten gibt. Deswegen appellieren wir an die beiden Parteivorsitzenden, sich noch vor der nächsten Fraktionssitzung zu einigen. Das wäre das Befriedendste und Befreiendste für alle Beteiligten. Wenn das aber nicht gelingt, muss die Entscheidung in der Fraktion fallen“, so Krichbaum.
Am Wochenende stellen sich zunächst weitere Organisationen der CDU hinter Laschet: Nach der Frauen-Union spricht sich auch der Chef des Arbeitnehmerflügels, der nordrhein-westfälische Sozialminister Karl-Josef Laumann, für den nordrhein-westfälischen Regierungschef aus. Auch Carsten Linnemann als Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung stärkt Laschet den Rücken.
Dennoch gibt es auch eine Bewegung innerhalb der Christdemokraten für den Christsozialen Söder. Ministerpräsidenten wie etwa Tobias Hans aus dem Saarland oder Michael Kretschmer aus Sachen machen deutlich, dass es durchaus auch um Umfragen und mögliche Wahlerfolge gehe.
„Wenn wir es auf die Landes-und Kreisverbände ziehen, dann wird es Söder“, mutmaßt ein hochrangiges CDU-Mitglied am Sonntagnachmittag. Insgesamt hat die
CDU 325 Kreisverbände, 27 Bezirks-, 17 Landes- und mehr als 10.000 Ortsverbände.
Der Berliner CDU-Vorsitzende Kai Wegner sagt nach einer Vorstands-Sitzung am Sonntag: „Es gibt eine große Sehnsucht nach Markus Söder.“Auch in der Jungen Union gibt es eine Mehrheit für Söder: In einer Videokonferenz der Landesvorsitzenden am Sonntagabend sprechen sich 14 Landesverbände mit deutlicher Mehrheit für Söder aus. Die JU hat 18 Landesverbände. In Niedersachsen wollte man am Abend beraten. Einige munkeln, dass Laschet am Montag noch einmal eine Bundesvorstandssitzung anstreben könnte, um über die Frage der Kanzlerkandidatur abzustimmen. Ausgang offen. Es wäre eine Art Vertrauensabstimmung. Aber wozu? Showdown also in der Fraktion? Zumindest nicht unwahrscheinlich. Jüngste Entwicklung am Abend: Söder fliegt mit einem Privatjet von Nürnberg nach Berlin, landet um kurz vor 19.30 Uhr in der Hauptstadt, fährt in den Bundestag. Details unklar, die Spekulationen gehen in den Parteien wild durcheinander.
Eine Entscheidung in der Kandidatenfrage stand noch nicht fest, als diese Zeitung gedruckt wurde.