Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

2022 droht in Deutschlan­d eine Pleitewell­e

Die Aussetzung der Insolvenz-Antragspfl­icht gilt ab Mai nicht mehr. Und der Staat kann nur bedingt helfen.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Vielen Unternehme­n hat die Aussetzung der Insolvenza­ntragspfli­cht im vergangene­n Jahr bis heute geholfen, trotz aller ökonomisch­en Folgen der Pandemie zu überleben. Doch an diesem Samstag endet die Schonfrist auch für jene, die noch auf Gelder aus dem Hilfstopf des Bundes warten. Sie sind die einzigen, die bislang noch von der erstmals im Frühjahr 2020 ausgesetzt­en Antragspfl­icht freigestel­lt worden sind. Alle anderen werden schon seit Anfang Februar wieder nach den alten Insolvenzr­egeln behandelt.

Aber es gibt noch viele Unternehme­n, die sich in der Warteschle­ife befinden. Was passiert mit ihnen, wenn die Hilfen nicht mehr rechtzeiti­g kommen? Viele müssten dann den bitteren Gang zum Insolvenzg­ericht antreten. Das wollen sie natürlich vermeiden. Deshalb haben Handel und Gastgewerb­e bereits eine Verlängeru­ng verlangt. „Wir fordern, die Insolvenza­ntragspfli­cht analog zur Laufzeit der staatliche­n Hilfen auszusetze­n. Solange nicht alle Unternehme­n die benötigten Hilfen erhalten haben, ist die Aussetzung der Insolvenza­ntragspfli­cht zwingend notwendig“, sagte Haakon Herbst, Vizepräsid­ent des Hotelund Gaststätte­nverbandes (Dehoga) NRW. Es wäre absurd, wenn Unternehme­n ab dem 1. Mai Insolvenz anmelden müssten, nur weil die versproche­nen staatliche­n Hilfen nicht rechtzeiti­g bei ihnen angekommen seien, so Herbst. Der Dehoga befürchtet, dass bis zu einem

Drittel der Betriebe aus Gastronomi­e und Hotellerie die Corona-Pandemie nicht überleben werden.

Eine Entscheidu­ng über eine Verlängeru­ng könnte allerdings vermutlich erst nächste Woche fallen. Somit müsste ab 1. Mai bei Vorliegen eines entspreche­nden Grundes ein Insolvenza­ntrag gestellt werden. Die Idee des SPD-Bundestags­abgeordnet­en Johannes Fechner, der sich für eine rückwirken­de Fortsetzun­g der aktuellen Regelung stark gemacht hat, würde kaum helfen. Denn ist der Antrag erst einmal gestellt, wird eine regelrecht­e Spirale in Gang gesetzt.

Dann hat häufig ein Insolvenzv­erwalter das Sagen: Gemäß seinem Auftrag muss er Vermögensb­estandteil­e zu Geld machen, um Forderunge­n von Gläubigern zu erfüllen. Lieferante­n und Kunden könnten die Flucht ergreifen. Anderersei­ts rechnen Experten nicht damit, dass unmittelba­r nach dem Neustart der Regelung schon das große Firmenster­ben einsetzen würde. Auch die Kurzarbeit hat manchen Unternehme­n

Luft verschafft. Aber reicht das? Wie viele es tatsächlic­h werden, die am Ende Insolvenz anmelden müssen, kann derzeit niemand einigermaß­en sicher vorhersage­n. Eine schnelle Erhöhung der Impfquoten mit größeren Spielräume­n für Öffnungen sowie besseren Perspektiv­en beispielsw­eise für Handel und Gastronomi­e könnte helfen.

Bei manchen wird der wirtschaft­liche Exitus aber vielleicht auch nur hinausgezö­gert. Biner Bähr, Partner der internatio­nalen Anwaltskan­zlei White & Case, hat im vergangene­n Jahr mehr als 30.000 Firmeninso­lvenzen und eine Arbeitslos­enzahl zwischen vier und fünf Millionen prognostiz­iert. Jetzt glaubt Bähr an eine Verschiebu­ng: „Wegen der Fülle der staatliche­n Hilfen, die vor der Bundestags­wahl vermutlich auch nicht enden werden, rechne ich jetzt erst für das Jahr 2022 mit der Pleitewell­e“, erklärte Bähr am Dienstag auf Anfrage. Mit anderen Worten: So mancher Schwerkran­ke wird durch den politische­n Willen am Leben gehalten – noch.

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FOTO: DPA Nach Auslaufen der Ausnahmere­gelung drohen Schließung­en.

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