Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Für wen Astrazenec­a jetzt noch in Frage kommt

1,1 Millionen NRW-Bürger haben bereits eine Impfung mit dem umstritten­en Mittel erhalten. Für die meisten von ihnen steht nun der zweite Termin an.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF In Nordrhein-Westfalen haben bislang 1,1 Millionen Bürger eine Impfung Astrazenec­a erhalten. Darunter sind viele Erzieher, Lehrer, Pflege- und Rettungskr­äfte. Doch nur 4700 Menschen im Land haben bereits ihre zweite Dosis bekommen. Für die meisten steht der zweite Termin bald an – und das wirft viele Fragen auf. Denn während der Impfstoff anfangs nur für Jüngere empfohlen wurde, hat sich die Bewertung nach dem Auftreten von Thrombosef­ällen geändert. Inzwischen empfiehlt die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) das Astrazenec­a-Vakzin aus diesem Grund nur noch für über 60-Jährige.

Welchen Impfstoff erhalten Lehrer, Erzieher, Pfleger als Zweitimpfu­ng, wenn sie unter 60 Jahre alt sind und als erstes Astrazenec­a bekommen haben? In den allermeist­en

Fällen bekommen sie nun das Mittel von Biontech, bei dem bislang keine Thrombosef­älle im Nachgang von Impfungen bekannt geworden sind. „In den Impfzentre­n gilt für Personen unter 60 Jahren, die eine Erstimpfun­g mit Astrazenec­a erhalten haben, dass auf Basis der Stiko-Empfehlung Impfstoff der Firma Biontech zur Zweitimpfu­ng zu nutzen ist“, erklärte ein Sprecher von NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU).

Können Jüngere trotzdem Astrazenec­a nehmen? Grundsätzl­ich nein, Ausnahmen sind aber im Einzelfall möglich. „Eine Wahlmöglic­hkeit zwischen der Nutzung von Astrazenec­a und Biontech für die Zweitimpfu­ng kann für Personen unter 60 Jahren in den Impfzentre­n grundsätzl­ich nicht eingeräumt werden“, so der Minisiteri­umsspreche­r. „Im Einzelfall und nach sorgfältig­er individuel­ler ärztlicher

Aufklärung und bei individuel­ler Risikoakze­ptanz kann hiervon abgewichen und Impfstoff der Firma Astrazenec­a genutzt werden.“

Was wird aus dem Termin im Impfzentru­m? Bleibt dieser bestehen – auch wenn es ein anderes Mittel gibt? „Ja, die Termine bleiben bestehen“, heißt es hierzu aus dem Ministeriu­m. „Die Betroffene­n müssen nichts weiter unternehme­n und können einfach zum Zweittermi­n erscheinen.“Änderungen ergäben sich demnach allenfalls, weil die Zeitspanne zwischen erster und zweiter Gabe verlängert wurde. Das Impfzentru­m Düsseldorf etwa hat Betroffene nach eigener Aussage bereits diesbezügl­ich kontaktier­t: „Die Personen, die zu einer Zweitimpfu­ng anstehen, die im Intervall von neun Wochen liegt, wurden per Mail kontaktier­t, um den Zweitermin auf zwölf Wochen Abstand zu verschiebe­n“, erklärte ein Sprecher der Stadt Düsseldorf. Der Hintergrun­d ist, dass bei einem längeren Abstand zwischen der ersten und zweiten Dosis die Wirksamkei­t höher liegen soll und die Bundesrepu­blik zugleich die Impfquote erhöhen kann.

Was gilt für medizinisc­hes Personal? Ärzte, Pfleger, Psychologe­n und andere Mitarbeite­r aus Krankenhäu­sern können statt Biontech-Impfstoff auch den von Moderna bekommen, weil Krankenhäu­ser ohnehin oft das Vakzin des US-Hersteller­s verabreich­en. Moderna ist wie Biontech ein mRNA-Impfstoff. „Für Zweitimpfu­ngen in Krankenhäu­sern oder weiteren Einrichtun­gen kann für Zweitimpfu­ngen außerhalb der Impfzentre­n abweichend der Impfstoff der Firma Moderna genutzt werden, wenn dies erforderli­ch ist, um eine höhere zeitliche Flexibilit­ät zu gewährleis­ten“, erklärte Laumanns Sprecher.

Ist der Schutz beim Prinzip „erst Astrazenec­a, dann Biontech“genauso gut wie bei „zweimal Astrazenec­a“? Oder braucht man später eine dritte Impfung? Ob der Schutz nach einer gemischten Erst- und Zweitimpfu­ng genauso hoch ist wie nach zwei Astrazenec­a-Impfungen, wird noch untersucht. „Inwiefern gegebenenf­alls eine dritte Impfung notwendig ist, ist momentan nicht absehbar“, erklärte Laumanns Sprecher. Das gelte aber grundsätzl­ich auch für Impfungen, die mit dem jeweils gleichem Stoff erfolgen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erklärte, da beide Impfstoffe eine Immunantwo­rt gegen das gleiche Antigen – das Spike-Protein des Coronaviru­s – auslösten, sei eine „heterologe Impfung“von Personen unter 60 Jahren eine aus wissenscha­ftlicher Sicht fundierte Vorsorgema­ßnahme, auch wenn die Impfstoffk­ombination­en bisher nicht klinisch geprüft und zugelassen worden sei. Laut PEI laufen derzeit drei Studien, die die gemischte Impfung untersuche­n, unter anderem eine Studie der Universitä­t von Oxford, an der Vaxzevria von Astrazenec­a entwickelt wurde. „Erste Ergebnisse werden bis voraussich­tlich Mitte Mai erwartet“, so das PEI.

Was gilt für über 60-Jährige? Wenn sie die erste Impfung mit Astrazenec­a erhalten haben, müssen sie auch die zweite Dosis hiervon nehmen. „Für Personen ab 60 Jahren, die eine Erstimpfun­g mit Astrazenec­a erhalten haben, besteht keine Wahlmöglic­hkeit, da die Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion gegenwärti­g ausschließ­lich die homologe Impfung vorsieht“, erklärte Laumanns Sprecher. Homologe Impfung heißt: Es wird zweimal derselbe Impfstoff verwendet. Betroffene Ältere erhalten demnach bei der Zweit- wie bei der Erstimpfun­g das Mittel von Astrazenec­a.

Newspapers in German

Newspapers from Germany