Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

DFB-Präsident lehnt Rücktritt ab

Die Entrüstung über einen Nazi-Vergleich des Präsidente­n wächst an vielen Stellen im Sport, aber der schließt eine Aufgabe seines Amtes aus.

- VON ULRIKE JOHN, CHRISTOPH LOTHER UND CHRISTIAN KUNZ

FRANKFURT (dpa) DFB-Präsident Fritz Keller hat sich mit einer verbalen Entgleisun­g selbst ins Abseits gestellt, klammert sich aber trotz des öffentlich­en Entsetzens über seinen Nazi-Vergleich an seinen Posten. „Einen Rücktritt schließe ich aus“, sagte der 64 Jahre alte Freiburger am Dienstag. Keller hatte seinen Vizepräsid­enten Rainer Koch bei einer Präsidiums­sitzung am Freitag nach Berichten von „bild.de“und „Der Spiegel“mit Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Der DFB äußerte sich nicht zu Einzelheit­en, bestätigte allerdings die Entschuldi­gung Kellers.

Die Vertreter der Deutschen Fußball Liga im DFB-Präsidium, unter anderen ist das DFL-Chef Christian Seifert, distanzier­ten sich „deutlich und in aller Form“von der Wortwahl Kellers gegenüber Koch. „Eine solche Äußerung ist absolut inakzeptab­el“, twitterte die Dachorgani­sation der 36 Profiklubs.

Im besten DFB-Duktus ließ Keller am Dienstag mitteilen: „In Zeiten gesellscha­ftlicher Zerrissenh­eit sollten wir uns als Fußballer nach meinem Foul die Hände reichen und ein gemeinsame­s Zeichen der Versöhnung geben.“

„Mit Entsetzen und völligem Unverständ­nis“reagierte das Präsidium des Süddeutsch­en Fußball-Verbandes auf die Wortwahl Kellers. „Dies ist eine Äußerung, die völlig inakzeptab­el ist (...)“, heißt es in einem Schreiben. Gerade weil Koch Richter am Oberlandes­gericht München ist, sei es völlig abwegig, Koch „auch nur ansatzweis­e in die Nähe des höchsten Repräsenta­nten der unsägliche­n und menschen-verachtend­en Willkürjus­tiz des Dritten Reiches zu rücken“.

Der 1945 gestorbene Freisler war als Teilnehmer an der Wannseekon­ferenz einer der Verantwort­lichen für die Organisati­on des Holocaust und später Präsident des berüchtigt­en Volksgeric­htshofes, wo er etwa 2600 Todesurtei­le verhängte, darunter auch gegen die Widerstand­sgruppe „Weiße Rose“.

Das Präsidium des Bayerische­n Fußball-Verbandes teilte mit, es sei entsetzt über „die von Fritz Keller ausgelöste neuerliche Eskalation innerhalb des DFB und seiner Regionalso­wie Landesverb­ände“. Zuvor hatte der BFV mitgeteilt, dass der 62 Jahre alte Koch die Entschuldi­gung Kellers bislang nicht angenommen habe, weil dieser den gesamten Vorgang mit zeitlichem Abstand zunächst in einem persönlich­en Gespräch mit dem DFB-Präsidente­n aufarbeite­n wolle. Keller hatte zunächst erklärt, dass er sich schriftlic­h bei Koch entschuldi­gt und dieser „die Größe“gehabt habe, „die Entschuldi­gung anzunehmen“. Diese Einschätzu­ng revidierte er nun, sei falsch, sagte der DFB-Präsident. In der vom DFB zunächst bestätigte­n Erklärung sagte Keller zudem: „Insbesonde­re auch im Hinblick auf die Opfer des Nationalso­zialismus war der Vergleich gänzlich unangebrac­ht.“

„Ich bin schon fassungslo­s. Wie kann der DFB-Präsident in diesem gesellscha­ftlich so wichtigen Amt solch einen Nazivergle­ich einführen?“, kritisiert­e der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger bei „Bild“.

Der Gastronom und Winzer Keller, der jahrelang an der Spitze des Bundesligi­sten SC Freiburg stand, wurde im September 2019 beim DFB zum Nachfolger von Reinhard Grindel gewählt. Dieser war zurückgetr­eten, nachdem bekannt geworden war, dass er eine Luxusuhr von einem ukrainisch­en Oligarchen angenommen hatte. Die jetzige DFB-Spitze gilt als zerstritte­n.

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FOTO: IMAGO Protagonis­ten im aktuellen Vorfall: DFB-Präsident Fritz Keller (r.) und Vizepräsid­ent Rainer Koch im November 2019 beim Länderspie­l Deutscland gegen Weißrussla­nd in Mönchengla­dbach.
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FOTO: DPA Der Präsident des Volksgeric­htshofes, Roland Freisler.

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