Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der Wolf und das „Stindln“
Der Österreicher zeigte beim 5:0 gegen Bielefeld, dass er inzwischen ein besseres Gefühl für das Borussen-Spiel hat.
Tore sind für einen Offensivspieler das beste Elixier. Doch sie sind nicht der einzige Faktor. Sonst wäre Hannes Wolf, der vom Leihspieler zum fixen Einkauf geworden ist im Laufe der Saison, nach seinem 1:0-Siegtor gegen RB Leipzig in der Hinrunde alle Sorgen, die sein Dasein als Borusse betreffen, los gewesen. Doch hatte dieser Treffer gegen den Klub, von dem er kam, nicht die entscheidende Wirkung. Wolf fremdelte mit dem Gladbacher Spiel. Beim 2:1 gegen Freiburg zuletzt schien es sogar, als würde sich daran nichts mehr ändern in dieser Saison: Da war er ein Fremdkörper.
Doch nun war da das Spiel gegen Arminia Bielefeld. Zuvor hatte sich Wolf als Joker mit einem Treffer gegen Frankfurt zurückgemeldet, nun bekam er erneut die Chance von Beginn an. Es entwickelte sich ein Spiel, von dem Wolf vielleicht rückblickend sagen wird: „Das war das wichtigste im Zuge der Borussia-isierung meines Spiels.“Denn beim 5:0 hatte man das Gefühl, dass Hannes Wolf und Borussia richtig gut zusammenpassen können.
Nun ist es nicht so, dass Wolf, 22, den Job als Zehner nicht kennt. Er hat ihn oft gemacht bei RB Salzburg, dort, wo er zu den Musterschülern des Fußballs gehörte, den Marco Rose dort lehrte, der Wolf dann auch nach Gladbach holte nach dem wegen einer schweren Verletzung verlorenen Jahr in Leipzig. Doch war die Aufgabenstellung eben eine ganz andere: Zehner bei RB zu sein, bedeutete, ein aggressiver Anläufer zu sein, der den Gegner nervt und entnervt mit Gestichel und Gestachel, der Ballverluste provoziert und dann husch, husch etwas macht in Richtung Tor. Pressing, Gegenpressing, ruhelos, atemlos.
In Gladbach ist die Sache komplexer. Die Zehn ist mehr Entwickler als Unruhestifter. Das geistige Zentrum des Spiels und die personifizierte Entsprechung dessen ist
Kapitän Lars Stindl. Wie Wolf ist er ein vielseitiger Offensiver, man kann sich ihn auch als wuselige Neun vorstellen, oder als den Mann, der um einen Stoßstürmer im Zweierangriff herum Action macht.
Doch tat sich Wolf schwer mit dem „Stindln“. Das heißt: vorn den Gegner zu nerven durch Präsenz, aber sich auch wieder fallen zu lassen in die Tiefe des Raumes, um dort kreativ tätig zu sein, beim Tempo nicht nur auf die Tube zu drücken, sondern es auch mal zu drosseln, vorausschauendes Spiel sozusagen, den Gegner zu fordern, aber auch das eigene Team, mit Ideen, Räume zu kennen, die andere nicht auf dem Schirm haben, aber auch diese Räume mit Pässen zu öffnen.
So wie es Wolf tat mit dem Ball, den er vor dem 1:0 gegen Bielefeld auf Stefan Lainer spielte, der dann
Breel Embolo bediente. Beim 2:0 war Wolf vom linken Flügel selbst der Vorlagengeber für Marcus Thuram. Beim 4:0 war er Teil der feinen Kombination, die dem Tor vorausging. Das war Gladbach-Fußball der Neuzeit, „Borussia Barcelona“-haft: einfach und vielschichtig zugleich. Und Wolf war mittendrin, er wirkte nicht mehr verkrampft, sondern locker, er versuchte nicht, er machte.
„Grundsätzlich müssen wir das öfter auf den Platz kriegen, dann sieht man ja, was dabei herauskommt“sagte Wolf. Das galt für Borussia wie für ihn selbst: „Ich fühle mich gut im Moment und versuche, wenn ich auf dem Platz stehen, meine Form zu verbessern. Das ist mir heute recht gut gelungen“, sagte er. Weil er jetzt wohl angekommen ist in der Gladbach-Denke. Manchmal sind Spielzüge mehr wert als Tore.
THOMAS GRULKE