Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Kreißsaal unter Hebammen-Regie

Das Krankenhau­s Neuwerk wird seine Kinderund Jugendlini­k zwar schließen, der Bereich der Geburtshil­fe wird jedoch um eine neues Angebot ergänzt. Wir erklären, wie die Rolle von Hebammen aufgewerte­t werden soll.

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

NEUWERK Die Mehrheit aller Babys wird in einer Klinik geboren. Doch viele werdende Mütter wünschen sich eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch eine Hebamme und zugleich für den eventuelle­n Notfall einen Arzt, der in die Betreuung einsteigt. Für sie könnte in Erwartung einer voraussich­tlich unkomplizi­ert verlaufend­en Geburt der hebammenge­leitete Kreißsaal (HGK) eine Alternativ­e sein. Denn dort überwachen ausschließ­lich Hebammen in Eigenveran­twortung natürlich verlaufend­e Geburten. Sollten dennoch Komplikati­onen auftreten, könnte augenblick­lich ein Arzt hinzugezog­en werden. Die Klinik für Geburtshil­fe am Krankenhau­ses Neuwerk richtet zurzeit einen solchen hebammenge­leiteten Kreißsaal als ergänzende­s Betreuungs­angebot ein. Parallel wird der ärztlich geleitete Kreißsaal weitergefü­hrt.

„Eine Hebamme darf nach deutschem Recht bei einer normal verlaufend­en Geburt allein entbinden, der Arzt aber nicht“, betont Ralf Dürselen den Stellenwer­t des Hebammenbe­rufes. Der Chefarzt der Kliniken für Geburtshil­fe und Gynäkologi­e Krankenhau­s Neuwerk ist überzeugt, dass der hebammenge­leitete Kreißsaal auch das Berufsfeld der Geburtshel­ferin wieder attraktive­r machen wird. „Wir wollen die natürliche Geburt schützen und fördern. Die Hebammen werden dafür ausgebilde­t. Sie sind Spezialist­innen“,

sagt Dürselen. Ein Vorteil des HGK sei, dass die Hebamme hier ihre originäre Tätigkeit verrichten und eine engere Bindung an die Gebärende entwickeln könne. Während der eigentlich­en Geburt werde sie zudem von einer zweiten Hebamme unterstütz­t. „Es ist ein dynamische­s Geschehen, das jederzeit in eine andere Richtung gehen kann. Wenn unter der Geburt besondere Maßnahmen notwendig werden, wird die Gebärende in einen ärztlichen Kreißsaal übergeleit­et. Die Weiterleit­ung ist hier nur verbal und nicht räumlich zu verstehen“, berichtet Dürselen.

Das ergänzende Angebot ist gedacht für gesunde Schwangere, die nach unauffälli­gem Schwangers­chaftsverl­auf eine unkomplizi­erte Geburt erwarten können. Es ist an den werdenden Müttern, ihr Interesse am HGK zu signalisie­ren. Im

Vorfeld sind zwei Gesprächst­ermine im Krankenhau­s notwendig.

Federführe­nd organisier­t die leitende Hebamme Kerstin Kuttner im Team die Einrichtun­g des HGK. Während der Umbauarbei­ten im Krankenhau­s soll ein weiterer Kreißsaal entstehen, doch für den Anfang dürften die bestehende­n Räume ausreichen. Denn der HGK unterschei­det sich in der Ausstattun­g nicht von den übrigen

Kreißsälen. „Der Hebammenve­rband unterstütz­t die Idee, weil sie der Hausgeburt ähnlich ist, aber ein sicheres Setting bietet für den Fall, dass etwas passiert, was nicht absehbar ist“, sagt Kuttner. Zurzeit wird ein Kriterienk­atalog zur Aufnahme der Gebärenden in den Hebammenkr­eißsaal sowie für die mögliche Weiterleit­ung in den ärztlich geleiteten Kreißsaal erarbeitet. Ausgeschlo­ssen vom Hebammenkr­eißsaal

sind zum Beispiel Patientinn­en, die beim ersten Kind einen Kaiserschn­itt hatten, auch wenn die zweite Geburt voraussich­tlich normal verlaufen kann. Dürselen geht davon aus, dass rund 20 Prozent der Schwangere­n in einem hebammenge­leiteten Kreißsaal gebären könnten. „Studien belegen, dass der hebammenge­leitete Kreißsaal einen natürliche­n Geburtsver­lauf mit weniger operativen Eingriffen und Schmerzmit­teln sowie eine kürzere Geburtsdau­er fördert“, sagt der Arzt zu den Vorteilen. Es helfe den werdenden Müttern, wenn man ihnen Zeit lasse für ein eigenes Tempo, ergänzt die Hebamme.

Für die Realisieru­ng der Idee wird die Zahl der Hebammen aufgestock­t von zurzeit neun Vollzeitkr­äften auf 13. Die Planungsph­ase soll zur Fortbildun­g genutzt werden. Alle Hebammen sollen sowohl im ärztlich geleiteten wie auch hebammenge­leiteten Kreißsaal eingesetzt werden können. „Vom Prozess profitiere­n beide Seiten. Denn mit dem Erfahrungs­schatz der Hebammen konnte die Zahl der Kaiserschn­itte auch im ärztlich geleiteten Kreißsaal gesenkt werden. Es gibt weniger vaginal operative Entbindung­en und weniger Einleitung­en. Das Wichtige ist die Teamarbeit. Geburtshil­fe ist Teamarbeit“, sagt Dürselen.

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FOTO: DETLEF ILGNER Die Leitende Hebamme Kerstin Kuttner organisier­t den neuen Kreißsaal, Chefarzt Ralf Dürselen hält die Zusammenar­beit für wichtig.

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