Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Kreißsaal unter Hebammen-Regie
Das Krankenhaus Neuwerk wird seine Kinderund Jugendlinik zwar schließen, der Bereich der Geburtshilfe wird jedoch um eine neues Angebot ergänzt. Wir erklären, wie die Rolle von Hebammen aufgewertet werden soll.
NEUWERK Die Mehrheit aller Babys wird in einer Klinik geboren. Doch viele werdende Mütter wünschen sich eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch eine Hebamme und zugleich für den eventuellen Notfall einen Arzt, der in die Betreuung einsteigt. Für sie könnte in Erwartung einer voraussichtlich unkompliziert verlaufenden Geburt der hebammengeleitete Kreißsaal (HGK) eine Alternative sein. Denn dort überwachen ausschließlich Hebammen in Eigenverantwortung natürlich verlaufende Geburten. Sollten dennoch Komplikationen auftreten, könnte augenblicklich ein Arzt hinzugezogen werden. Die Klinik für Geburtshilfe am Krankenhauses Neuwerk richtet zurzeit einen solchen hebammengeleiteten Kreißsaal als ergänzendes Betreuungsangebot ein. Parallel wird der ärztlich geleitete Kreißsaal weitergeführt.
„Eine Hebamme darf nach deutschem Recht bei einer normal verlaufenden Geburt allein entbinden, der Arzt aber nicht“, betont Ralf Dürselen den Stellenwert des Hebammenberufes. Der Chefarzt der Kliniken für Geburtshilfe und Gynäkologie Krankenhaus Neuwerk ist überzeugt, dass der hebammengeleitete Kreißsaal auch das Berufsfeld der Geburtshelferin wieder attraktiver machen wird. „Wir wollen die natürliche Geburt schützen und fördern. Die Hebammen werden dafür ausgebildet. Sie sind Spezialistinnen“,
sagt Dürselen. Ein Vorteil des HGK sei, dass die Hebamme hier ihre originäre Tätigkeit verrichten und eine engere Bindung an die Gebärende entwickeln könne. Während der eigentlichen Geburt werde sie zudem von einer zweiten Hebamme unterstützt. „Es ist ein dynamisches Geschehen, das jederzeit in eine andere Richtung gehen kann. Wenn unter der Geburt besondere Maßnahmen notwendig werden, wird die Gebärende in einen ärztlichen Kreißsaal übergeleitet. Die Weiterleitung ist hier nur verbal und nicht räumlich zu verstehen“, berichtet Dürselen.
Das ergänzende Angebot ist gedacht für gesunde Schwangere, die nach unauffälligem Schwangerschaftsverlauf eine unkomplizierte Geburt erwarten können. Es ist an den werdenden Müttern, ihr Interesse am HGK zu signalisieren. Im
Vorfeld sind zwei Gesprächstermine im Krankenhaus notwendig.
Federführend organisiert die leitende Hebamme Kerstin Kuttner im Team die Einrichtung des HGK. Während der Umbauarbeiten im Krankenhaus soll ein weiterer Kreißsaal entstehen, doch für den Anfang dürften die bestehenden Räume ausreichen. Denn der HGK unterscheidet sich in der Ausstattung nicht von den übrigen
Kreißsälen. „Der Hebammenverband unterstützt die Idee, weil sie der Hausgeburt ähnlich ist, aber ein sicheres Setting bietet für den Fall, dass etwas passiert, was nicht absehbar ist“, sagt Kuttner. Zurzeit wird ein Kriterienkatalog zur Aufnahme der Gebärenden in den Hebammenkreißsaal sowie für die mögliche Weiterleitung in den ärztlich geleiteten Kreißsaal erarbeitet. Ausgeschlossen vom Hebammenkreißsaal
sind zum Beispiel Patientinnen, die beim ersten Kind einen Kaiserschnitt hatten, auch wenn die zweite Geburt voraussichtlich normal verlaufen kann. Dürselen geht davon aus, dass rund 20 Prozent der Schwangeren in einem hebammengeleiteten Kreißsaal gebären könnten. „Studien belegen, dass der hebammengeleitete Kreißsaal einen natürlichen Geburtsverlauf mit weniger operativen Eingriffen und Schmerzmitteln sowie eine kürzere Geburtsdauer fördert“, sagt der Arzt zu den Vorteilen. Es helfe den werdenden Müttern, wenn man ihnen Zeit lasse für ein eigenes Tempo, ergänzt die Hebamme.
Für die Realisierung der Idee wird die Zahl der Hebammen aufgestockt von zurzeit neun Vollzeitkräften auf 13. Die Planungsphase soll zur Fortbildung genutzt werden. Alle Hebammen sollen sowohl im ärztlich geleiteten wie auch hebammengeleiteten Kreißsaal eingesetzt werden können. „Vom Prozess profitieren beide Seiten. Denn mit dem Erfahrungsschatz der Hebammen konnte die Zahl der Kaiserschnitte auch im ärztlich geleiteten Kreißsaal gesenkt werden. Es gibt weniger vaginal operative Entbindungen und weniger Einleitungen. Das Wichtige ist die Teamarbeit. Geburtshilfe ist Teamarbeit“, sagt Dürselen.