Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Kummer bei Chören in der Pandemie
Wegen der Aerosole können der Gospelchor „Get Joy“und der Frauenchor „Con Musica“nicht wie gewohnt proben. Die Mitglieder sind traurig darüber: „Wir hätten nie gedacht, das gefährlichste Hobby der Welt zu haben.“
Wegen der Aerosole können der Gospelchor „Get Joy“und der Frauenchor „Con Musica“nicht wie gewohnt proben. Die Mitglieder sind traurig.
KORSCHENBROICH Zehn Minuten brauche es vor dem Start in die Probe, um die Tränen zu trocknen. „Wir sind unendlich traurig. Wir hätten nie gedacht, das gefährlichste Hobby der Welt zu haben, so wie sich die Aerosole beim Singen verbreiten“, fasst Stefan Bechstein seinen Kummer über Chorarbeit in der Pandemie zusammen. Dennoch ist der Dirigent optimistisch, dass der Gospelchor „Get Joy Korschenbroich“mit der Rückkehr in die Normalität rasch wieder zur alten Stärke findet.
„Wenn vor Corona Mitglieder wegen Krankheit, Schwangerschaft und aus anderen Gründen pausieren mussten, waren sie in der Regel schnell wieder dabei“, so der Dirigent. Also wird auch jetzt geprobt, an der Stimmbildung gearbeitet und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt. Dafür treffen sich die Mitglieder nicht wie gewohnt im Liedberger Sandbauernhof, sondern digital.
Um die Bindung an den realen Ort zu stärken, wählt Bechstein gern die vertraute Raumansicht als Hintergrundbild. Da die technischen Voraussetzungen unterschiedlich sind, beteiligt sich durchschnittlich nur ein Drittel des 90-köpfigen Gesamtchores. „Bei dieser Beteiligung können wir nicht wirklich an Stücken arbeiten. Ich spiele am Klavier kleine lustige Lieder, die man schnell lernen kann und gebe immer zwei Stimmen vor. Doch das Gefühl, wenn alle gemeinsam atmen, singen, Klänge entwickeln sowie die gemeinsam entwickelte Dynamik und Liedaussage im Gospel fehlen uns schon sehr,“sagt Bechstein.
Im Sommer probte der Chor auf Anregung eines Mitglieds auf der Wiese des Nikolausklosters. Doch im September wurde es dafür allmählich zu früh dunkel und zu kalt, sagt der Vorsitzende Jonas Goeris. Seitdem wird wieder über Zoom geprobt, wobei das zeitversetzte Hören die Probenarbeit natürlich erschwert. „Ich bin gespannt, wie es klingt, wenn wir wieder dürfen. Wir werden sehen, was noch da ist, daran feilen und freuen uns, das wieder zum Klingen zu bringen. Das, was wir an Kondition eingebüßt haben, haben wir an Wertschätzung für die Musik gewonnen. Wie sehr uns die Probe als Stück des Alltags fehlt, wird uns jetzt klar“, sagt Bechstein.
Iris Jungbluth bezeichnet sich als einen Menschen, der gerne organisiert.
Auf diese Freude muss die Vorsitzende des Frauenchores „Con musica“derzeit verzichten. Doch sie ist begeistert, dass allen Einschränkungen zum Trotz die Chorgemeinschaft lebt. „Wir proben seit Längerem jeden Freitag zur üblichen Zeit am PC. Das ist nicht vergleichbar mit früheren Proben, stärkt aber ungemein den Zusammenhalt und ist im Rahmen der Möglichkeiten toll. Manche Frauen haben außerdem separate Gruppen gebildet, um noch einmal extra üben zu können. Unser Chorleiter spielt alle Stimmen getrennt ein, so dass jede ihren Part vom Handy ablaufen lassen und dazu singen kann“, erklärt Jungbluth.
„Wir haben sehr früh damit angefangen. Nach der vierten Probe waren 99 Prozent des Chores mit rund 30 Sängerinnen dabei, bis hin zu unseren ältesten Mitgliedern im Alter von etwa 80 Jahren“, ergänzt Chorleiter Vogler. Auch er bedauert, dass Chorarbeit durch das Corona-Virus zum „Hochrisikosport“wurde und betont die Notwendigkeit, sich der aktuellen Situation anzupassen.
Wie früher beginnen die Proben auch jetzt um 19 Uhr. „Eine Viertelstunde vorher trudeln die ersten ein. Wir singen ein. Dann stelle ich die Mikros der Sängerinnen aus, und wir proben. Es ist toll, dass ich bei dieser Lösung die Sängerinnen richtig hören und korrigieren kann“, so Vogler. Auch so entstehe eine Art Chorgefühl. Durch die Konzentration auf die eigene Stimme entwickelten sich die Sängerinnen zu Solistinnen, wenn auch der Chor natürlich ein Laienchor bleibe. „Wir profitieren mehr, als dass wir verlieren. Ich bin absolut optimistisch, was den Chor angeht“, fasst der junge Dirigent zusammen.
Mit dem Chor erarbeitet er ein neues Programm mit Liedern aus Oper, Musical, der „Drei Groschen-Oper“und „etwas jazzigen“Beiträgen. Mit dem Wiederbeleben von Konzertmöglichkeiten könnte der Frauenchor seiner Einschätzung nach ohne lange Vorlaufzeit wieder auftreten.