Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Laschet: Mein Platz ist nach der Wahl in Berlin
Der Ministerpräsident schließt eine Rückkehr nach NRW im Fall der Niederlage aus. Damit steigen die Chancen für Hendrik Wüst.
DÜSSELDORF/BERLIN Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sieht seine politische Zukunft nach der Bundestagswahl nicht mehr in Nordrhein-Westfalen. Auf die Frage, ob er im Fall seiner Niederlage als Kanzlerkandidat Ende September für sich „ein Rückfahrticket nach Düsseldorf“beanspruche, um weiter als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident regieren zu können, sagte Laschet in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Klares Nein. Für mich ist klar: Mein Platz ist nach der Bundestagswahl in Berlin.“
Ob er im Fall der Niederlage dann in Berlin Oppositionsführer werden will, ließ Laschet offen: „Ich trete an, um die Wahl zu gewinnen. Wer was wann wie wird, entscheiden Partei und Fraktion nach dem Votum der Wählerinnen und Wähler“, sagte Laschet, der zugleich Vorsitzender der Bundes- und der Landes-CDU ist.
Laschet reagiert damit auf wachsenden Druck inner- und außerhalb der eigenen Partei. Zuvor war der Eindruck entstanden, Laschet wolle sich als Kanzlerkandidat für den Fall einer Niederlage die Rückkehroption nach NRW offenhalten, um Ministerpräsident bleiben zu können. So hatte er dem Vernehmen nach den CDU-Landesparteitag vom Frühsommer auf einen Termin nach der Bundestagswahl verschieben wollen. Unter Parteifreunden rief dies Erinnerungen an den früheren CDU-Spitzenkandidaten in NRW, Norbert Röttgen, wach. Ihn hatte ein solches Taktieren 2012 den Wahlsieg in NRW gekostet.
Laut jüngsten Umfragen muss zudem die Union im Bund derzeit massive Verluste hinnehmen: Im ZDF-„Politbarometer“kommen CDU/CSU nur noch auf 25 Prozent – die Grünen haben mit 26 Prozent die Union überholt.
In NRW steigen damit die Chancen für Verkehrsminister Hendrik Wüst, Nachfolger im Ministerpräsidentenamt zu werden – zumindest übergangsweise bis zur Landtagswahl im Mai 2022. Wüst kommt zugute, dass laut Landesverfassung der Ministerpräsident über ein Abgeordnetenmandat verfügen muss. Damit scheiden potenzielle Konkurrenten wie Innenminister Herbert Reul sowie Bauministerin Ina Scharrenbach als Ministerpräsidenten von vornherein aus. Gleichzeitig kann Wüst auch im Rennen um den CDU-Vorsitz in Nordrhein-Westfalen auf wachsende Unterstützung zählen. Prominente Vertreter wie die Landeschefs von Junger und Senioren-Union hatten sich für Wüst ausgesprochen. Der 45-Jährige selbst wollte sich am Freitag nicht äußern.
Die CDU-Minister Reul und Scharrenbach hatten bis zuletzt ein anderes Modell favorisiert: Die Bauministerin hatte Reul als CDU-Vorsitzenden in Nordrhein-Westfalen ins Gespräch gebracht. Der 68-Jährige hätte so als Übergangskandidat im Fall einer verlorenen Bundestagswahl für Laschet den Rückweg offenhalten können.
Die oppositionellen Grünen dringen nun auf eine rasche Klärung der Nachfolgefrage im Land. „Dass Teilzeit-Ministerpräsident Armin Laschet das Taktieren aufgibt, war dringend überfällig“, sagte der CoLandeschef Felix Banaszak.
In der Berliner Parteispitze stieß Laschets Äußerung auf Zustimmung. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner sagte: „Diese Klarheit von Armin Laschet finde ich richtig.“Parteifreund Jens Spahn erklärte im Interview mit unserer Redaktion: „Der Zusammenhalt der Union ist entscheidend. CDU- und CSU-Chef müssen zusammenarbeiten, sonst kann die Union nicht erfolgreich sein.“
Dem lähmenden Machtkampf in der K-Frage schließt sich keine Hängepartie zwischen Berlin und Düsseldorf an – Armin Laschet hat eine klare Entscheidung getroffen. Das verdient Respekt. Es wäre auch fatal gewesen, das bevölkerungsreichste Bundesland zur Resterampe abzuwerten. Trotzdem sollte der Ministerpräsident auf Abruf diesen Weg fortsetzen und sein Erbe jetzt vollständig regeln. Dann hätte sein Nachfolger die Möglichkeit, sich ein Jahr lang zu bewähren, um sich 2022 dem Votum der Menschen zu stellen.
Denn eine Zäsur liegt nicht nur vor Deutschland, sondern auch vor NRW. Im Bund wird auf jeden Fall eine noch nicht dagewesene Koalition übernehmen: Grün-Schwarz, glaubt man den aktuellen Umfragen, oder Schwarz-Grün, wenn es nach Laschet geht, vielleicht aber auch eine Ampelkoalition aus Grün-RotGelb oder gar ein Linksbündnis von Grün-Rot-Rot – alles neu, alles sehr anders. Und in NRW spricht aktuell nicht viel dafür, dass CDU und FDP wieder eine Mehrheit erringen werden. Eine Regierungsbeteiligung der Grünen aber dürfte den Industriestandort vor enorme Herausforderungen stellen. Dafür ist das Wort von der Zäsur schon fast zu schwach.
Wenn jetzt auf Bundesebene die Ausgangslage klar ist, sollte sie es auch für NRW sein. Zu wichtig sind die Geschicke des Landes in der Pandemie und beim Klimaschutz, als dass man sie im Nebenjob erledigen sollte. Dem konsequenten Bekenntnis sollte Armin Laschet den ebenso konsequenten Rückzug aus der Staatskanzlei in Düsseldorf folgen lassen. Das würde seiner Glaubwürdigkeit ebenso nützen wie seiner Heimat. Noch hat er den Weg nur halb freigemacht. Dass es Helmut Kohl und Gerhard Schröder einst genauso gehalten haben, ist nur ein schwaches Argument. Besondere Zeiten erfordern besondere Lösungen.