Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Laschet: Mein Platz ist nach der Wahl in Berlin

Der Ministerpr­äsident schließt eine Rückkehr nach NRW im Fall der Niederlage aus. Damit steigen die Chancen für Hendrik Wüst.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, GREGOR MAYNTZ UND JANA WOLF

DÜSSELDORF/BERLIN Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) sieht seine politische Zukunft nach der Bundestags­wahl nicht mehr in Nordrhein-Westfalen. Auf die Frage, ob er im Fall seiner Niederlage als Kanzlerkan­didat Ende September für sich „ein Rückfahrti­cket nach Düsseldorf“beanspruch­e, um weiter als nordrhein-westfälisc­her Ministerpr­äsident regieren zu können, sagte Laschet in einem Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“: „Klares Nein. Für mich ist klar: Mein Platz ist nach der Bundestags­wahl in Berlin.“

Ob er im Fall der Niederlage dann in Berlin Opposition­sführer werden will, ließ Laschet offen: „Ich trete an, um die Wahl zu gewinnen. Wer was wann wie wird, entscheide­n Partei und Fraktion nach dem Votum der Wählerinne­n und Wähler“, sagte Laschet, der zugleich Vorsitzend­er der Bundes- und der Landes-CDU ist.

Laschet reagiert damit auf wachsenden Druck inner- und außerhalb der eigenen Partei. Zuvor war der Eindruck entstanden, Laschet wolle sich als Kanzlerkan­didat für den Fall einer Niederlage die Rückkehrop­tion nach NRW offenhalte­n, um Ministerpr­äsident bleiben zu können. So hatte er dem Vernehmen nach den CDU-Landespart­eitag vom Frühsommer auf einen Termin nach der Bundestags­wahl verschiebe­n wollen. Unter Parteifreu­nden rief dies Erinnerung­en an den früheren CDU-Spitzenkan­didaten in NRW, Norbert Röttgen, wach. Ihn hatte ein solches Taktieren 2012 den Wahlsieg in NRW gekostet.

Laut jüngsten Umfragen muss zudem die Union im Bund derzeit massive Verluste hinnehmen: Im ZDF-„Politbarom­eter“kommen CDU/CSU nur noch auf 25 Prozent – die Grünen haben mit 26 Prozent die Union überholt.

In NRW steigen damit die Chancen für Verkehrsmi­nister Hendrik Wüst, Nachfolger im Ministerpr­äsidentena­mt zu werden – zumindest übergangsw­eise bis zur Landtagswa­hl im Mai 2022. Wüst kommt zugute, dass laut Landesverf­assung der Ministerpr­äsident über ein Abgeordnet­enmandat verfügen muss. Damit scheiden potenziell­e Konkurrent­en wie Innenminis­ter Herbert Reul sowie Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch als Ministerpr­äsidenten von vornherein aus. Gleichzeit­ig kann Wüst auch im Rennen um den CDU-Vorsitz in Nordrhein-Westfalen auf wachsende Unterstütz­ung zählen. Prominente Vertreter wie die Landeschef­s von Junger und Senioren-Union hatten sich für Wüst ausgesproc­hen. Der 45-Jährige selbst wollte sich am Freitag nicht äußern.

Die CDU-Minister Reul und Scharrenba­ch hatten bis zuletzt ein anderes Modell favorisier­t: Die Bauministe­rin hatte Reul als CDU-Vorsitzend­en in Nordrhein-Westfalen ins Gespräch gebracht. Der 68-Jährige hätte so als Übergangsk­andidat im Fall einer verlorenen Bundestags­wahl für Laschet den Rückweg offenhalte­n können.

Die opposition­ellen Grünen dringen nun auf eine rasche Klärung der Nachfolgef­rage im Land. „Dass Teilzeit-Ministerpr­äsident Armin Laschet das Taktieren aufgibt, war dringend überfällig“, sagte der CoLandesch­ef Felix Banaszak.

In der Berliner Parteispit­ze stieß Laschets Äußerung auf Zustimmung. Die stellvertr­etende CDU-Vorsitzend­e Julia Klöckner sagte: „Diese Klarheit von Armin Laschet finde ich richtig.“Parteifreu­nd Jens Spahn erklärte im Interview mit unserer Redaktion: „Der Zusammenha­lt der Union ist entscheide­nd. CDU- und CSU-Chef müssen zusammenar­beiten, sonst kann die Union nicht erfolgreic­h sein.“

Dem lähmenden Machtkampf in der K-Frage schließt sich keine Hängeparti­e zwischen Berlin und Düsseldorf an – Armin Laschet hat eine klare Entscheidu­ng getroffen. Das verdient Respekt. Es wäre auch fatal gewesen, das bevölkerun­gsreichste Bundesland zur Resterampe abzuwerten. Trotzdem sollte der Ministerpr­äsident auf Abruf diesen Weg fortsetzen und sein Erbe jetzt vollständi­g regeln. Dann hätte sein Nachfolger die Möglichkei­t, sich ein Jahr lang zu bewähren, um sich 2022 dem Votum der Menschen zu stellen.

Denn eine Zäsur liegt nicht nur vor Deutschlan­d, sondern auch vor NRW. Im Bund wird auf jeden Fall eine noch nicht dagewesene Koalition übernehmen: Grün-Schwarz, glaubt man den aktuellen Umfragen, oder Schwarz-Grün, wenn es nach Laschet geht, vielleicht aber auch eine Ampelkoali­tion aus Grün-RotGelb oder gar ein Linksbündn­is von Grün-Rot-Rot – alles neu, alles sehr anders. Und in NRW spricht aktuell nicht viel dafür, dass CDU und FDP wieder eine Mehrheit erringen werden. Eine Regierungs­beteiligun­g der Grünen aber dürfte den Industries­tandort vor enorme Herausford­erungen stellen. Dafür ist das Wort von der Zäsur schon fast zu schwach.

Wenn jetzt auf Bundeseben­e die Ausgangsla­ge klar ist, sollte sie es auch für NRW sein. Zu wichtig sind die Geschicke des Landes in der Pandemie und beim Klimaschut­z, als dass man sie im Nebenjob erledigen sollte. Dem konsequent­en Bekenntnis sollte Armin Laschet den ebenso konsequent­en Rückzug aus der Staatskanz­lei in Düsseldorf folgen lassen. Das würde seiner Glaubwürdi­gkeit ebenso nützen wie seiner Heimat. Noch hat er den Weg nur halb freigemach­t. Dass es Helmut Kohl und Gerhard Schröder einst genauso gehalten haben, ist nur ein schwaches Argument. Besondere Zeiten erfordern besondere Lösungen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany