Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Empfehlung: Johnson & Johnson nur an Ältere

Minister regt kürzeren Abstand zwischen Astrazenec­a-Dosen an. Experten raten ab.

- VON HANNAH GOBRECHT UND JAN DREBES

BERLIN (rtr) Die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) will nach einem „Spiegel“-Vorabberic­ht den Impfstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson nur noch für Personen ab 60 Jahren empfehlen. Jüngere sollen ihn aber nach Aufklärung durch einen Arzt nutzen dürfen. Beim Robert-Koch-Institut hieß es, von der Stiko werde für kommende Woche eine Stellungna­hme erwartet. Bei Johnson & Johnson waren in einigen wenigen Fällen Thrombosen aufgetrete­n. Die USA hatten Impfungen mit dem Vakzin deshalb ausgesetzt. Die Europäisch­e Arzneimitt­elbehörde befand, dass es zwar eine mögliche Verbindung zu den Fällen der Blutgerinn­sel gebe; insgesamt überwögen aber die Vorteile die Risiken.

DÜSSELDORF Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) hat angekündig­t, dass der Abstand zwischen zwei Astrazenec­a-Dosen von zwölf auf vier Wochen verringert werden kann, um Ärzten und Impfwillig­en mehr Flexibilit­ät zu ermögliche­n. Viele Menschen fragen sich nun, welche Folgen ein geringerer Abstand zwischen den Impfungen für ihren Immunschut­z hat. Die Wirksamkei­t einer zweimalige­n Impfung im Abstand von vier bis acht Wochen liegt laut Studien bei 50,4 Prozent, bei zwölf und mehr Wochen sind es bis zu 82,4 Prozent.

„Es war richtig, die Priorisier­ungen bei Astrazenec­a komplett aufzuheben. Ich persönlich würde allerdings davon abraten, zwischen den beiden Impfungen nur vier Wochen verstreich­en zu lassen“, sagt SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach auf Nachfrage unserer Redaktion. Er betont zudem, dass es mit Blick auf eine mögliche Verbreitun­g weiterer Mutationen wichtig sei, „dass die Impfungen ihr volles Schutzpote­nzial entfalten können“.

Spahn hatte die gewonnene Flexibilit­ät unter anderem damit begründet, dass zahlreiche Menschen sich mit Blick auf ihren Urlaub zügig eine vollständi­ge Impfung wünschen. In Bezug darauf sagt Lauterbach: „Ich kann beide Astrazenec­a-Impfungen innerhalb von vier Wochen nicht empfehlen. Die Menschen sollten es nicht tun, nur um in den Urlaub fahren zu können.“

Auch bei Ulf Dittmer, Direktor des Instituts für Virologie am Universitä­tsklinikum in Essen, trifft der Vorstoß des Bundesgesu­ndheitsmin­isters auf Unverständ­nis. „Das ergibt keinen Sinn, dann werden von Jens Spahn die Studienerg­ebnisse nicht beachtet. Der optimale Impfzeitpu­nkt bei einer Erst- und Zweitimpfu­ng mit Astrazenec­a liegt bei neun bis zwölf Wochen, das ist lange bekannt“, sagt Dittmer im Gespräch mit unserer Redaktion.

Dittmer verweist dabei auf die Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko), die weiterhin einen Zeitraum von zwölf Wochen zwischen beiden Impfungen empfiehlt. „Das sind die größten Impfstoffe­xperten Deutschlan­ds. Dann kommen plötzlich andere Vorgaben aus der Politik. Die Impfärzte in den Impfzentre­n kann man teilweise nur noch bedauern. Da draußen herrscht komplette Verwirrung“, ergänzt Dittmer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany