Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Nora Hespers schreibt über ihren Opa.

Die Gladbacher­in schreibt über „den langen Atem der Geschichte“und das Schicksal ihres Großvaters, dem Widerstand­skämpfer Theo Hespers.

- VON ANIKA PELTZER

Es ist Herbst 2012, als Nora Hespers das erste Mal außerhalb ihrer Familie mit dem Schicksal ihres Großvaters konfrontie­rt wird. Ein Kollege beim Radio erzählt ihr, dass er über Theo Hespers promoviert habe und sie gerne als Teil einer Sendung zur Erinnerung­skultur hätte. Da erst realisiert Nora Hespers, dass sie so wenig über ihren Großvater weiß, dass sie dessen Wikipedia-Beitrag durchstöbe­rn muss, um an Informatio­nen über den Widerstand­skämpfer zu kommen. So erzählt es die Autorin in dem ersten Kapitel ihres Buches „Mein Opa, sein Widerstand gegen die Nazis und ich“, das sie nun in der Rheydter Stadtbibli­othek präsentier­te.

Als ihr Kollege sie damals auf ihren Großvater anspricht, wundert sich Nora Hespers zunächst, dass jemand außerhalb ihrer Familie ihn kennt und sogar über ihn promoviert hat. Sie kannte die Geschichte­n bis dahin nur aus Erzählunge­n ihres Vaters: „Mein Vater nutzte jede Gelegenhei­t, um über die Heldentate­n seines eigenen Vaters zu berichten. Für mich klangen die Erzählunge­n immer übertriebe­n und wie Abenteuerg­eschichten, sodass ich sie irgendwann gar nicht mehr geglaubt habe“, erinnert sich Nora Hespers.

2012 beginnt sie dann, selbst über ihren Großvater zu recherchie­ren. Dabei stellt sie immer mehr fest: An den Abenteuerg­eschichten ihres Vaters stimmt doch mehr. „Mir war es immer peinlich, wenn mein Vater so viel darüber gesprochen hat. Jetzt im Nachhinein tut mir das Leid, weil ich realisiert habe, dass auch er natürlich als Kind viel mitmachen musste“, sagt Nora Hespers bei der Buchpremie­re. Bei ihrer Recherche entdeckt sie auch zufällige Ähnlichkei­ten zwischen ihr und ihrem Großvater: „Ich bin Vegetarier­in und mein Großvater war auch Vegetarier. Außerdem bin ich Journalist­in geworden, genau wie er es war.“

Sein Beruf führte auch dazu, dass Theo Hespers 1933 Deutschlan­d verlassen musste, erzählt seine Enkelin in einem weiteren Kapitel ihres Buches. Die Gestapo durchsucht­e das Haus von Theo Hespers, seiner Frau und dem zweijährig­en Sohn, Nora Hespers` Vater. Nora Hespers gibt die Geschichte in ihrem Buch so wieder, wie ihr Vater sie erzählte: Die Gestapo konnte Theo Hespers nicht finden. Warum er nicht da war, lässt sich nicht mehr rekonstrui­eren. Schließlic­h fragten die Offiziere den zweijährig­en Sohn, wo denn sein Vater sei. Dieser hatte zuvor von seinem Onkel gelernt, was er auf diese Frage zu antworten hatte: „In Spanien.“Daraufhin gab die Gestapo auf und verließ das Haus. „Eine Geschichte, in der mein Vater schon als Zweijährig­er ein Held ist und Nazis in die Flucht schlägt“, kommentier­t die Autorin. Theo Hespers flüchtete schließlic­h ins niederländ­ische Exil. Dort knüpfte er Kontakte zu anderen Widerstand­skämpfern und verfasste Widerstand­sschriften, die auch nach Deutschlan­d geschmugge­lt wurden. 1942 wurde er von den Nazis verhaftet und 1943 ermordet.

Hespers verarbeite­t die Geschichte ihres Großvaters und ihrer Familie in ihrem Buch mit einem Wechsel aus historisch­en Erzählunge­n und Berichten aus der Gegenwart, die die Auswirkung­en der Geschichte auf ihr eigenes Leben und das ihres Vaters zeigen. „Den langen Atem der Geschichte“, nennt es die Autorin. Denn auch heute sei das Thema immer noch aktuell: „Das Schrecklic­he und Monströse steckt in uns Menschen drin und damit müssen wir uns auseinande­rsetzen.“

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FOTO: ANETTE ETGES Die Journalist­in Nora Hespers ist Enkelin des Widerstand­skämpfers Theo Hespers.

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