Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Was die Stärke der Innenstädte ist
Online-Einkauf ist bequem, der reale Bummel ist aber inspirierender. Darin liegt die Chance nach Corona. Was dafür nötig ist? Mut für die richtige Mischung. Andere Städte machen's vor.
Ich habe an dieser Stelle schon mehrfach bekannt, dass ich gerne und so oft es geht, den lokalen Einzelhandel nutze. Ich wohne nahe der Innenstadt von Rheydt, arbeite in der Innenstadt von Gladbach. Insofern wird meine Kundentreue zwischen beiden gerecht verteilt. Und es ist immer wieder überraschend, wie viel man in Mönchengladbach bekommt.
Neulich war ich mal wieder in Rheydt unterwegs. Ich hatte einen Friseurtermin, brauchte dafür einen negativen Corona-Test. Den machte ich im Foyer der Awo-Zentrale, das gerade zum Testzentrum umfunktioniert ist. Funktionierte super und ging schnell. Ich hatte Zeit, schlenderte erst über den Wochenmarkt, kaufte dann bei einem Metzger Dry-Aged-Steaks, eine feine Spezialität. In der Fußgängerzone kamen in einem Laden voll schöner Dinge besonderes Salz und Öl hinzu. Zwei Stück Torte bei der Konditorei, schon stand das Menü für den Abend. Auch die Frisur saß bis dahin. Ich hätte auch noch Wein, Bücher, Schmuck oder hochwertige Marken-Mode kaufen können. Alles da, alle sehr freundlich, beste Qualität, guter Service.
Warum ich wieder davon erzähle? Weil mich, wie Sie vielleicht auch, die Debatte um die Zukunft der Innenstädte umtreibt. Rheydt blühte früher mehr, keine Frage. Aber verloren ist die Innenstadt
dort keinesfalls. Im Gegenteil. So komfortabel und in Zeiten der Pandemie auch notwendig der Online-Einkauf ist, den realen Schaufensterbummel kann das Stöbern auf Online-Seiten nicht ersetzen. Es macht Spaß, man plaudert mal hier, mal da. Fühlt die Stimmung der Menschen. Und kauft ganz nebenbei ein.
Darin liegt die Chance nach Corona. Das Fundament ist da, gegossen nicht von großen Filialisten, sondern von Geschäfts-Inhabern. Sie sind es auch, die durchhalten in diesen Monaten mit wenig Umsatz. Wir
Kunden sollten sie unterstützen. Aber auch die Verantwortlichen im Rathaus sind in der Pflicht, beide Innenstädte zu stärken. Das Land unterstützt das mit Fördermitteln. Sie gilt es schlau einzusetzen – mit Mut für die richtige Mischung und einem Frequenzbringer als Anker.
Wie das funktionieren kann, zeigt ein Beispiel aus Bochum. Dort soll mitten in der Innenstadt in einem verwaisten Gebäude, das früher mal die Post war, ein „Haus des Wissens“entstehen. Stadtbibliothek, Volkshochschule, Angebote der Bochumer Hochschulen sowie eine Markthalle sollen dort auf rund 11.000 Quadratmetern zusammengebracht werden. An diesem Ort sollen Bildung, Einkauf und Wissensaustausch aufeinandertreffen und etwas Neues schaffen. Dafür wird viel Geld in die Hand genommen, 90 Millionen Euro.
So viel steht für Rheydt und Gladbach nicht zur Verfügung. Aber ein ähnliches Potenzial ist beispielsweise in Rheydt vorhanden: das leere Karstadt-Gebäude, die Stadtteilbibliothek, die nahe Hochschule, der Wochenmarkt. All das zusammen kann zusätzliche Frequenz bringen und etwas entstehen lassen, das weit über das unmittelbare Umfeld ausstrahlt. Das neue Rathaus könnte ein Teil davon sein.