Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Borussia braucht jetzt Stindl in der Boss-Rolle

- VON KARSTEN KELLERMANN

Es ist müßig, zu diskutiere­n, ob Lars Stindl als Startelf-Teilnehmer dem samstäglic­hen Geschehen in der Münchner Allianz-Arena einen anderen Drive gegeben hätte, als den, den es ohne ihn gab beim 0:6. Trainer Marco Rose sah ihn nach fast einmonatig­er Abstinenz wegen des Muskelfase­rrisses, den er sich beim 2:2 bei Hertha BSC in Berlin am 10. April zugezogen hatte, noch nicht bereit für die Startelf. Und als der Kapitän 21 Minuten vor dem Ende kam, lag sein Team schon 0:5 zurück und in Trümmern. Da war nichts mehr zu retten. Dass ein fitter Stindl Gladbach fußballeri­sch enorm gut tut, steht außer Frage. Doch fehlte den Borussen in München nicht nur das fußballeri­sche Konzept, um dem Rekordmeis­ter Paroli zu bieten, sondern auch die richtige mentale

Herangehen­sweise. Die Borussen erdulteten statt sich zu wehren, sie ergaben sich statt aufzumucke­n.

Da hätte man sich einen gewünscht, der genau das tut, einen wie Martin Stranzl einer früher war, der sich die Kollegen auch mal zur Brust nimmt, ihnen den Marsch bläst und klar macht: Jungs, so können wir uns nicht präsentier­en. Roses vorsichtig­es „Jungs, bitte“, war zu wenig, um die Lethargie zu vertreiben.

Nun ist Stindl auch keiner, der im originären Sinne stranzlt, doch hat er durchaus die Gabe, das Team an die Hand zu nehmen und mitzureiße­n. Das 3:3 bei Eintracht Frankfurt war ein Beispiel dafür: Auch da fehlte den Borussen nach der 1:0-Führung der Zugriff auf Spiel und Gegner, dann war Stindl in der Schlusspha­se da mit dem unbedingte­n Willen, sich gegen das Schicksal zu stemmen. Wie in Florenz, an Stindls größtem Tag, als er 2017 Gladbach ins Achtelfina­le der Europa League schoss mit drei Tore.

Kurz: Stindl ist natürlich in seinem Kerngebiet gefragt als feiner Techniker, als Inspirator des Borussen-Spiels. Aber auch als Boss. Als der, der vorangeht, der, der mitreißt, aber auch der, der unangenehm wird, der stranzlt, wenn es nicht passt wie jetzt in München. Fehlt der Mut, braucht es manchmal auch Wut. Wut darüber, das es nicht zusammenge­ht, dass es nicht läuft, und da darf man sich als „Cheffe“dann auch mal mitteilen, wenn nötig auch lautstark. So etwas fehlte jetzt in München, auch das gehört zu Aufbäumen dazu: mal den Kollegen die Leviten zu lesen.

Christoph Kramer wird nun gelangweil­t grinsen, wenn er das liest, er hält nichts von der Debatte, dass Typen und Bosse fehlen, die oft aufkommt nach Niederlage­n. Doch geht es nun für Borussia darum, der Saison eine Finale Bewertung zu geben: Europa oder nicht Europa, das ist hier die Frage.

Für Rose führt im Saisonfina­le am Kapitän kein Weg vorbei. Er braucht Tore und Typen für den Erfolg,

auch Erfahrung. Stindl bringt all das mit. Er selbst weiß am besten, wie schön es ist, in Europa zu spielen, oft schon war es seine Bühne: beim ersten Gladbacher Champions-League-Tor, beim Doppelpack gegen Sevilla, beim wichtigen 1:0 in Glasgow, beim späten Elfmeter in Rom. Und eben in Florenz. Stindl hat im Hotel im Borussia-Park „sein“Zimmer für den großen Auftritt bekommen, da haben er und die anderen Borussen dem Schicksal noch ein Schnippche­n geschlagen, weil sie nochmal aufgestand­en sind, als alles vorbei schien – angetriebe­n von Stindl. Diesen Stindl braucht Borussia gegen Stuttgart und in Bremen.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Lars Stindl trifft in Stuttgart per Elfmeter.

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