Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

U23-Spielern hilft oft ein Umweg auf die große Bühne

Marcel Benger ist der nächste Leistungst­räger der Gladbacher U23, der nun den letzten Schritt in den Profifußba­ll schaffen will.

- VON THOMAS GRULKE

Es ist anzunehmen, dass Marcel Benger derzeit in ziemlich enger Taktung Spiele des Zweitligis­ten Holstein Kiel am Fernseher verfolgt. Der Verein hat gute Chancen, erstmals in die Bundesliga aufzusteig­en – womit Benger in der kommenden Saison auch Erstliga-Spieler wäre. Denn der 22 Jahre alte Mittelfeld­spieler verlässt im Sommer die Gladbacher Zweitvertr­etung und schließt sich Holstein Kiel an.

Von der Regionalli­ga West mit der U23 der Borussen direkt ganz hinauf in die Bundesliga – das wäre ein Sprung, der in den vergangene­n Jahren keinem Leistungst­räger in der Gladbacher Reserve mehr gelungen ist. Benger selbst hatte zwar schon einen Einsatz im Oberhaus, als ihn Gladbachs Trainer Dieter

Hecking im Dezember 2017 beim 3:1 gegen den Hamburger SV kurz vor Schluss einwechsel­te. Es blieb dann aber auch bei diesem einen Kurzauftri­tt. Die Qualität im Kader der Borussen-Profis ist derart gestiegen, dass es für Talente grundsätzl­ich ungemein schwer geworden ist, sich ganz oben durchzuset­zen.

Trotzdem haben auch in den vergangene­n Jahren viele U23-Spieler den Sprung in den Profifußba­ll geschafft, nur eben über einen Vereinswec­hsel und dann in der Regel bei einem Klub der zweiten oder dritten Liga. Wie weit der Weg in die Bundesliga sein kann, zeigt das Beispiel Alexander Mühling, der im Alter von 28 Jahren nun mit Kiel ins Fußball-Oberhaus aufsteigen kann.

Im Januar 2014 verließ er die Gladbacher U23 nach 67 Spielen in der Regionalli­ga West. Über Bayer Leverkusen

II und den SV Sandhausen landete er 2016 bei Holstein Kiel, damals noch Drittligis­t. 159 Spiele in der 2. Bundesliga sind mittlerwei­le für ihn zusammenge­kommen, bald könnten die ersten Bundesliga­partien anstehen. Gleiches gilt für Marco Komenda, der auch in Gladbach spielte, ehe er zum SV Meppen ging und nun seit 2020 für Kiel verteidigt.

Meppen, Sandhausen, Kiel – es scheint, als ob Zweit- und Drittligis­ten zunächst einmal für Leistungst­räger der U23 die Grenzen des Möglichen definieren. Denn die Liste der Wechsel in die unteren Profiligen lässt sich fortführen: mit Charalambo­s Makridis ( Jahn Regensburg), Aaron Herzog (Hansa Rostock), Mike Feigenspan (KFC Uerdingen), Tim Knipping (Dynamo Dresden), Kevin Holzweiler (Viktoria Köln) und Steffen Nkansah (FSV Zwickau).

In diese Reihe gehört zudem Marlon Ritter, der 2015/16 mit 23 Treffern gar Torschütze­nkönig der Regionalli­ga West wurde. Er spielt nun für den 1. FC Kaiserslau­tern. Die starken Leistungen in der U23 halfen Ritter nicht dabei, sich einen Kaderplatz bei Gladbachs Profis zu sichern. Diese Erfahrung hatte zwei Jahre zuvor schon Sven Michel gemacht, ebenfalls ein Gladbacher Torschütze­nkönig in der Viertklass­igkeit. Michel und Ritter spielten immerhin beide mit dem SC Paderborn in der Bundesliga, auch Umwege können demnach auf die ganz große Fußballbüh­ne führen.

Diese Erfahrung haben weitere ehemalige U23-Spieler gemacht. Christoph Zimmermann spielte bis 2014 für die Borussia, seit vier Jahren ist er nun bei Norwich City und vor kurzem zum zweiten Mal mit dem englischen Klub in die Premier League aufgestieg­en. Im Ausland hat sich auch Torhüter Janis Blaswich durchgeset­zt. Sein fußballeri­sches Glück fand er 2018 beim niederländ­ischen Ehrendivis­ionär Heracles Almelo, bei dem er Stammtorwa­rt ist. Christophe­r Lenz verließ Gladbach im Sommer 2016, für Union Berlin hat er mittlerwei­le 50 Bundesliga­spiele gemacht. Im Sommer wechselt Lenz zu Eintracht Frankfurt – und könnte dann in der Bundesliga auch auf den Neuling Kiel treffen, für den gleich drei Borussen-Talente auflaufen könnten.

Für Marcel Benger wäre es in dem Fall ein perfekter Wechsel. Die Auswahl an künftigen Arbeitgebe­rn mag keine schillernd­en Bundesligi­sten für ihn enthalten haben, doch er kommt womöglich zur richtigen Zeit nach Kiel.

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