Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Baklavameister im Zuckerfeststress
In der Bäckerei „Palandöken Baklava“bereitet Meister Klaus Wirtz alles für den großen Ansturm vor. Am 13. Mai endet nämlich der Ramadan.
MÖNCHENGLADBACH Es duftet süßlich-schwer, als Bäckermeister Klaus Wirtz die Ofentür aufklappt. Gezuckerte Pistazien, frischer Blätterteig, ein Hauch von Honig und Butter. Es wird kurz warm, noch wärmer, als es in der Backstube der türkischen „Palandöken Baklava“-Bäckerei ohnehin schon ist. Zwanzig Bleche stehen auf dem Tresen, fünf weitere müssen noch in den Ofen. An diesem Morgen arbeiten Wirtz und seine Kolleginnen am Limit. Das Zuckerfest steht an. Bald werden die Leute Schlange vor dem Laden stehen, um für den 13. bis 15. Mai einzukaufen.
Zum Zuckerfest darf es gerne besonders süß werden. Mit ihm endet der dreißigtägige Ramadan: Gläubige Muslime fasten dann nicht mehr von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Und das wird groß gefeiert. Normalerweise kommt die ganze Familie zusammen, die Jüngeren besuchen die Älteren. Es kommt alles auf den Tisch, was das Herz begehrt. Deshalb kaufen viele schon in den letzten Zügen des Ramadans riesige Mengen Süßwaren und andere Spezialitäten ein. „Baklava ist an diesen Tagen Tradition“, sagt Bülent Karabulak, Inhaber der Bäckerei, zu der auch sein Restaurant für türkische Speisen gehört. „Klar, wenn es scharfes Essen gab, muss es hinterher ein Zuckerschock sein.“Die Männer lachen. Sie verstehen sich gut. Obwohl sie aus ziemlich unterschiedlichen Welten kommen.
Bis vor einigen Jahren kannte Wirtz die Türkei nur von der Landkarte. Mit einer Stellenausschreibung im Schaufenster der Bäckerei „Palandöken Baklava“änderte sich alles. „Ich habe mich sofort gemeldet“, sagt Wirtz. Bis 2005 hatte er eine eigene Bäckerei, in Rheydt, etwas außerhalb. Irgendwann hat es sich nicht mehr gelohnt. Er gab den 50 Jahre alten Familienbetrieb auf. Arbeitete elf Jahre lang als Schreiner. Das Backen fehlte ihm. Er schaute sich um, bis er auf den Aushang von „Palandöken Baklava“stieß. Das war 2016. „Ich wusste nicht einmal, was Baklava genau ist“, sagt Wirtz. Ein Jahr hat er gebraucht, um das süße türkische Gebäck gut nachzubacken. Es sei eine hohe Kunst. Der Teig ist so dünn, dass man ein Handydisplay darunter sehen kann. „Ich bin immer noch nicht perfekt darin“, findet Wirtz. Er würde gerne einmal ein Praktikum in Istanbul machen, die Kunst des Baklava-Backens optimieren, hat darüber auch mit seinem Chef Karabulak gesprochen. Der fand die Idee gut, wollte ihn einige Wochen dorthin schicken. Doch Corona machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. Aus dem Praktikum wurde nichts und Wirtz backt weiterhin 330 Tage im Jahr Baklava.
Er ist immer auf der Suche nach jemandem, der ihn unterstützen kann. Doch viele, die sich bewerben, seien ungeeignet. Sie scheitern an Baklava. „Ich sehe in den ersten dreißig Sekunden, ob jemand das drauf hat“, sagt Wirtz. Da können ihn auch nicht die Handyfotos drüber hinwegtäuschen, die ihm viele von ihren vergangenen Werken zeigen. Er möchte Taten sehen. Besonders jetzt, wenn das Zuckerfest ansteht, muss alles schnell gehen. Schließlich verkaufen sie bei „Palandöken“Vier-Kilo-Packungen mit der türkischen Köstlichkeit.
In der Auslage gibt es nicht nur Backwaren aus dem Orient. Zwischendrin findet man bunte Torten, Käsesahne, Schwarzwälder-Kirsch, Schokolade. Zwischen Acma und Sesamringen liegen Mandelstuten und Körnerbrötchen. „Ich habe auch ein paar klassische deutsche Produkte mit eingebracht“, sagt Wirtz. Das gebe zwar einen wilden Mix, komme aber bei den Kunden gut an. Auch zum Zuckerfest gehen die nicht-türkischen Produkte über die Ladentheke.
Wirtz und Karabulak vermissen in diesen Tagen die Zeit vor Corona besonders. „Nach dem Zuckerfest
hat man sich Urlaub gegönnt, weil es die anstrengendste Zeit für uns ist“, sagt Karabulak. Den wird es nicht geben. Alles wird weitergehen wie bisher. Auch das Fest wird ein anderes. Schon wieder nicht mit der ganzen Familie. Wirtz feiert es sowieso nicht, ist kein Moslem. Trotzdem stimmt ihn das traurig.