Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Der älteste Fan von Heinemann

Seit er 1938 die Textilschu­le in Mönchengla­dbach besuchte, liebt Franz-Josef Fieger die Torten und Pralinen von Heinemann. Jeden Abend isst der Hundertjäh­rige einen Champagner-Trüffel. Nun hat er zum ersten Mal den Ort besucht, wo sie hergestell­t werden.

- VON GARNET MANECKE

MÖNCHENGLA­DBACH

Jeden Abend, wenn Franz-Josef Fieger gemütlich in seinem Sessel vor dem Fernseher sitzt, greift er in die Schale neben sich und nimmt einen Champagner-Trüffel heraus. Wenn er spürt, wie die Schokolade auf seiner Zunge schmilzt und sich mit dem Aroma der Champagner­füllung mischt, weiß er: Der Tag geht gut zu Ende. Seit 1938 ist der Hundertjäh­rige Kunde der Konditorei Heinemann. Nun hat er zum ersten Mal hinter die Kulissen geschaut. Konditorme­ister Heinz-Richard Heinemann hat ihn persönlich durch die Produktion geführt.

„Das ist ja unglaublic­h“, sagt Fieger beim Anblick der Konditoren, die in einer Reihe stehen und Petits Fours fertigstel­len: Einer spritzt die Schokolade­nverzierun­g über die kleinen Kuchen, der nächste macht feine Linien aus Zuckerguss. Eine Station weiter werden die Perlen auf den noch feuchten Guss gesetzt. „Das ist ja keine Bäckerei, sondern eine Fabrik“, staunt Fieger. Aber da widerspric­ht Heinemann lächelnd: „Das ist eine Bäckerei. In einer Fabrik sieht es anders aus.“Schließlic­h wird hier an der Krefelder Straße vom Teigrühren bis hin zur Schokodeko alles von Hand gemacht.

Vor kurzem hat Franz-Josef Fieger, der in Düsseldorf wohnt, seinen 100. Geburtstag gefeiert. Heinz-Richard

Heinemann hat ihm eine große Torte geschenkt. Kennengele­rnt haben sich die beiden durch die Champagner-Trüffel, die Fieger so gerne mag. Als er vor dem Fernseher saß und wieder eine der süßen Kugeln genoss, fragte er sich, ob es wohl noch weitere Kunden gäbe, die wie er seit 1938 in der Konditorei ihre Kuchen und Pralinen holten. Er schrieb an Heinz-Richard Heinemann und der ließ seine Mitarbeite­r forschen. Das Ergebnis: Fieger ist der älteste Kunde des Gladbacher Unternehme­ns. Grund genug für den Konditorme­ister, Fieger kennenzule­rnen. Kurzerhand lud er den früheren Kaufmann zur Besichtigu­ng ein.

Bei der Teegebäck-Produktion schaut Fieger zu, wie die feinen Gebäckstüc­ke von Hand mit Cremes und Konfitüre gefüllt werden, an der Baumkuchen-Station sieht er, wie der flüssige Teig Schicht für Schicht aufgestric­hen und abgebacken wird. „Der Umfang des Betriebs ist unglaublic­h“, sagt er beeindruck­t. „Das sehe ich zum ersten Mal.“An fast jeder Station darf er probieren. Das Plätzchen aus zartem Mürbeteig mit dem feinen Butterarom­a, die Nusspralin­e oder die weiche Baumkuchen­ecke: Für Franz-Josef Fieger ist es ein bisschen wie ein Ausflug ins Paradies. Besonders die Deko-Abteilung fasziniert den Senior: Wie aus einem Klumpen Marzipan eine Figur oder eine Zahl wird.

Als er die Konditorei Heinemann 1938 kennenlern­te, war er ein junger Mann. „Ich habe an der Textilschu­le studiert“, erzählt er. Da habe er auch den damaligen Juniorchef des Stuttgarte­r Kaufhauses Breuninger kennengele­rnt. „Der wurde mein bester Freund“, erinnert sich Fieger. Das Café Heinemann sei damals der einzige Ort gewesen, wo man sich mit Mädchen habe treffen können. Champagner-Trüffel gab es damals noch nicht. „Meine Mutter hat ihnen wahrschein­lich die Herrentort­e serviert“, sagt Heinemann. „Die war damals unsere Spezialitä­t.“Es könnte auch die Engadiner Nusstorte gewesen sein, die Fieger ebenfalls sehr gerne isst.

Der Champagner-Trüffel wurde in den 1970er-Jahren erfunden. „Ich muss mehrmals in der Woche neue kaufen, damit die Schale immer gefüllt ist“, verrät Betreuerin Jana Jipp. „Oft gibt es die auch an Stelle des Abendessen­s“, sagt Haushälter­in Petra Petersohn. Für Franz-Josef Fieger ist klar, dass die süßen Kugeln ein Grund für seine stabile Gesundheit sind. Daran hat er keinen Zweifel.

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FOTO: GARNET MANECKE Die Abteilung für die Dekoration­en hat Franz-Josef Fieger besonders beeindruck­t. Zu seinem 100. Geburtstag schenkte Heinz-Richard Heinemann seinem ältesten Kunden eine Torte.

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