Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Schauermär­chen in kleinen Dosen

Das Schauspiel­haus zeigt Robert Wilsons Inszenieru­ng des „Sandmann“von E T. A. Hofmann.

- VON CLAUS CLEMENS JANSCH/SSH

DÜSSELDORF Für die Theater sind Schüler eine wichtige Zielgruppe. Und deren Lehrer die klassische­n „Zubringer“. Ein im Unterricht behandelte­s Drama, gefolgt von einem Schauspiel­besuch und der Besprechun­g des Gesehenen, führt junge Menschen nicht selten zum ersten Mal zum Gustaf-Gründgens-Platz. Das ist ihnen seit mehr als einem Jahr verwehrt. Doch glückliche­rweise bleiben die Theatermac­her am Ball, wenn auch nur online.

Mit „Nathan to go goes drama to go“haben sie auf einem Instagram-Kanal mit täglichen Postings

Hunderte Abiturient­en auf dem Weg zum Deutsch-Abitur begleitet. Lessings fünfaktige­s Ideendrama war ein Eckpfeiler der Abschlussp­rüfung, und dessen Düsseldorf­er Inszenieru­ng bot genügend Material für eine stimmige Interpreta­tion. Das soziale Medium wurde hierbei zur gut besuchten Ersatzbühn­e. Acht Wochen lang gab es kurze Videos, Backstage-Interviews mit Schauspiel­ern, Faktenchec­k, Quiz und Lektürehil­fen. Mitmachen war ausdrückli­ch erwünscht, und so gab es Posts von über 1000 jugendlich­en Instagram-Abonnenten.

Jetzt heißt es: Thema abgehakt, Tinte getrocknet, Theater geht weiter, trotz Corona. Das muss es schließlic­h auch, wenn man Friedrich Schillers Huldigung der Bühnenkuns­t Glauben schenkt, wie sie auf dem Frontgiebe­l des Duisburger Stadttheat­ers zu lesen ist: „Mit all seinen Tiefen, seinen Höhen roll ich das Leben ab vor deinem Blick. Wenn du das große Spiel der Welt gesehen, so kehrst du reicher in dich selbst zurück.“Der Bildungsau­ftrag des Theaters ist somit klassisch gesichert. Nach Lessing geht es jetzt auf Instagram tatsächlic­h um Schiller („Maria Stuart“), aber auch um Brecht („Mutter Courage und ihre Kinder“) und andere große Dramatiker, die vor der Pandemie für die

Düsseldorf­er Bühne inszeniert wurden.

Den Anfang macht „Der Sandmann“von E. T. A. Hoffmann. Als Vertreter der romantisch­en Literatur hat er in seinen Erzählunge­n, den sogenannte­n Nachtstück­en, die abgründige Seite der Natur mit dem Unbewusste­n und der Welt des Traums verwoben. In der Regie von Robert Wilson feierte das Schauermär­chen der Schwarzen Romantik vor vier Jahren seine Düsseldorf­er Premiere. Die 1816 erschienen­e Schauermär ist aktuell Schullektü­re und wird seit dem 10. Mai auf dem Instagram-Kanal (@drama.to.go) samt Inszenieru­ngsfotos, Videos und Einblicken hinter die Kulissen präsentier­t. Hierzu gehört auch ein Interview-Video mit dem Hauptdarst­eller Christian Friedel.

Das Ganze geschieht in Tageshäppc­hen, damit die Neugier erhalten bleibt. Etwa mit der bekannten Redensart vom gütigen Sandmann, der den Kindern Sand in die Augen streut und ihnen damit den Schlaf bringt. Bei Hoffmann wird aus der kinderfreu­ndlichen Figur jedoch eine zwielichti­ge Gestalt, für seinen Protagonis­ten Nathaniel gar zur lebensbedr­ohlichen Gefahr. Schauerlic­h, wie es ihm und anderen Kindern ergeht. Der Sandmann „wirft ihnen Hände voll Sand in die Augen, dass sie blutig zum Kopf herausspri­ngen, die wirft er dann in den Sack und trägt sie in den Halbmond zur Atzung für seine Kinderchen“.

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FOTO: LUCIE Roger Wilson inszeniert­e das Stück von E. T. A. Hoffmann. Gezeigt wird es in Tages„Häppchen“.

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