Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Fünf Männer sind zu viel
Sollte Olaf Scholz Kanzler werden, stellt sich eine Frage: Wo sind die Frauen?
Wenn es nach Olaf Scholz geht, dann ist der Fahrplan zur Regierungsbildung ziemlich klar: Verhandlungen bis Mitte November, Personalabsprachen und Endfassung des Koalitionsvertrags bis Anfang Dezember. Kurz vor Nikolaus folgt ein SPD-Parteitag. Vielleicht schafft der sozialdemokratische Vizekanzler es dann sogar, seine derzeitige Chefin vor dem 17. Dezember im Amt des Bundeskanzlers abzulösen.
Warum ist das relevant? An diesem Tag wäre die Christdemokratin Angela Merkel länger im Amt als ihr Vorvorgänger Helmut Kohl. Der hält bislang die Rekordzeit von 16 Jahren und 26 Tagen.
Doch völlig unabhängig vom Datum: Sollte der bisherige Bundesfinanzminister
Scholz tatsächlich der neunte Kanzler der Bundesrepublik werden, hat er ein Frauenproblem an der Staatsspitze. Dort steht Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident. Er ist im Volk beliebt und hat bereits im Sommer verkündet, dass er eine zweite Amtszeit gerne antreten würde. Steinmeier agiert als Staatsoberhaupt überparteilich, ist aber als ehemaliger prominenter Sozialdemokrat dennoch einer Parteienfamilie zuzuordnen. Bliebe das Amt des Bundestagspräsidenten, das bisher immer die stärkste Fraktion besetzt hat. Hier ist seitens der SPD Fraktionschef Rolf Mützenich im Gespräch. Zum Jahresausklang stünden dann zusammen mit Bundesratspräsident Bodo Ramelow (Linke) und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Stephan
Harbarth, fünf Männer an der Spitze des Staates.
Die Koalitionsverhandlungen könnten durch diese Personalien gleich zu Beginn an Brisanz gewinnen. Denn für die Grünen läuft sich schon seit geraumer Zeit Katrin Göring-Eckardt als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt warm. Käme sie auch für das Amt der Bundestagspräsidentin infrage, weil die SPD auf das Amt verzichtet? Oder zaubert Scholz doch noch eine SPD-Frau aus dem Ärmel? Denn: Eine Staatsspitze ohne Frauen? Nicht mehr denkbar.