Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Zwei Studentinn­en im Flüchtling­slager

Rebecca Scheeres und Marta Kupfer haben in Athen ausgeholfe­n. Eine beglückend­e und bedrückend­e Erfahrung zugleich.

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

MÖNCHENGLA­DBACH Die Zeit in Athen sei anstrengen­d, lohnend und in Teilen frustriere­nd gewesen. So beschreibt Rebecca Scheeres die emotionale Gemengelag­e von Freude über Teilerfolg­e und Traurigkei­t über Menschen in Hoffnungsl­osigkeit. „Es gibt vieles, über das man noch nachdenken muss“, ergänzt Marta Kupfer. Die Studentinn­en sind seit Jahren der christlich­en Glaubensge­meinschaft Sant`Egidio verbunden. In einem „Sommer der Solidaritä­t“trugen sie in einer Gruppe von insgesamt 24 Jugendlich­en ihren Teil bei zur „Summer School“für Flüchtling­skinder aus dem Camp Eleonas in Athen.

In der Franziskan­erkirche St. Barbara berichtete­n die beiden von beglückend­en und bedrückend­en Erfahrunge­n. Für die anschaulic­he Darstellun­g wählten sie eine klar strukturie­rte Dialogform. Rebecca Scheeres hatte im vergangene­n Jahr im später niedergebr­annten Flüchtling­slager Moira auf der Insel Lesbos gearbeitet und verfügte damit über Vergleichs­möglichkei­ten. „Die

Inseln werden leergeräum­t, und es kommen immer mehr Flüchtling­e nach Athen, wo die Lager immer voller werden“, sagt die 23-Jährige.

Das frühere Vorzeigela­ger werde zunehmend beengter. In immer mehr Zelten wohnten ganze Familien mit drei bis sieben Personen und ihrer gesamten Habe. Die durch die Waldbrände verursacht­e Hitze im Sommer sei in den Zelten schwer zu ertragen gewesen. Die Wohnsituat­ion in aufgestell­ten Containern sei zwar besser, doch auch da gebe es keinen Raum für Privatsphä­re.

Scheeres und Kupfer berichtete­n, dass das Lager mit nur etwa 15 Autominute­n von der Stadt entfernt zwar recht zentral liege, doch in einem kleinen Industrieg­ebiet ohne Wohnhäuser und Geschäfte wenig Möglichkei­ten biete. Damit sei eine Integratio­n für Geflüchtet­e schwierig bis ausgeschlo­ssen. Manche Taxifahrer wüssten nicht um die Existenz des Lagers, andere mochten es nicht anfahren.

Im Lager seien zwar viele Kinder, doch schien es nicht auf sie eingestell­t zu sein. Die wenigen Kletterger­üste

seien im Wesentlich­en defekt und unbrauchba­r gewesen. „Im Umgang mit den Kindern haben wir gemerkt, dass sie kaum Möglichkei­ten haben, ihr Kindsein zu leben“, stellte Scheeres fest. In den Unterricht­sstunden hätten sie bemerkt, dass viele kaum Strukturen kannten, da sie vorher keine Schule besucht hatten und teilweise bereits ihr ganzes Leben lang auf der Flucht gewesen seien. Doch es sei der „Wahnsinn“gewesen, zu sehen, wie positiv sich in oft kleinen Dingen wenige Tage Unterricht auswirkten.

Beide sorgen sich um die Zukunft der Kinder, die aufgrund der Lebenssitu­ation ohne angemessen­en Schulstand und motorisch oft eingeschrä­nkt seien. „Wenn ich mir vorstelle, dass sie vielleicht mit zehn Jahren in eine deutsche Schule kommen, können sie die fehlende Unterstütz­ung in einer prägenden Lebensphas­e kaum noch aufholen. Man macht ihnen die Zukunft kaputt“, betont Kupfer.

Vergewalti­gte Mädchen hätten zudem ihre Traumata von den Inseln mit aufs Festland genommen und seien auch dort ohne psychologi­sche Beratung allein gelassen worden. Mit Sorge beobachten beide ebenso die vielfach um sich greifende Lethargie der Erwachsene­n. „Viele waren vorher auf den griechisch­en Inseln und warteten darauf, aufs Festland zu kommen. Doch wenn es da auch nicht weitergeht für sie, verlieren sie die Hoffnung. Das führt zur völligen Resignatio­n“, beschreibt Marta Kupfer ihre Beobachtun­gen.

Der Abend endete mit einem Gebet. Zuvor dankte Gabriela Brülls, Mitbegründ­erin der Gemeinscha­ft in Mönchengla­dbach, den Referentin­nen, den Menschen eine Stimme gegeben zu haben, die keine hätten.

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