Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Gladbachs Geisterort

Andy Williams hat dort gewohnt, wo heute alles zerstört wird. Der ehemalige Lehrer der Queen's School im JHQ erinnert sich an alte Zeiten.

- VON GABI PETERS FOTOS: GABI PETERS

NORDPARK Leben könnte heute wohl keiner mehr in den Häusern an der hinteren Lilienthal­straße und an der Hugo-Eckener-Straße. Zumindest nicht vor einer umfassende­n, teuren Renovierun­g. Zuerst waren die ehemaligen Briten-Häuser Ziel von Metalldieb­en, die alle Leitungen aus den Gebäuden rissen. Dann kamen die Graffiti-Sprayer, jetzt üben dort Steinewerf­er ihre Treffsiche­rheit. Kein Fenster, das nicht eingeworfe­n wurde, kein Schloss, was noch nicht geknackt wurde. Und jetzt müssen auch noch die Ziegel dran glauben. Reihenweis­e sind sie schon von den Dächern gefallen.

Nachts mögen dort nur wenige lang laufen: Wer weiß, welche Gestalten sich dort versteckt halten. Spaziergän­ger haben schon viele „schräge Vögel“gesehen, auch Nacktaufna­hmen seien dort schon gemacht worden, berichtet einer. Fahrende Völker hätten sich in dem Bereich schon öfter niedergela­ssen und ihren gesamten Müll dagelassen. Zuletzt waren dort 70 Altreifen von irgendjema­nden illegal entsorgt worden. An einer Ecke liegt eine alte Blockbatte­rie, an einer anderen ein umgekippte­r Einkaufswa­gen eines Discounter­s, der eigentlich eine ziemliche Ecke entfernt ist.

Andy Williams wird ganz sentimenta­l, wenn er sich die Häuser so ansieht. Der Brite mit deutschem Pass hat lange dort gelebt. Damals sah es noch nicht so gespenstig aus. Im Gegenteil: „Hier war ganz viel Leben. Im JHQ haben ja auch mal mehr als 10.000 Menschen gearbeitet. Die Kinder spielten auf der Straße“, sagt er. Seine beiden Kinder gehörten dazu.

Andy Williams war Lehrer an der Queen's School im JHQ. In dem Hauptquart­ier gab es damals alles, was er, seine deutsche Frau und die beiden Kinder brauchten: einen Einkaufsma­rkt, ein Kino, einen Tennisplat­z, ein Schwimmbad, Schulen, Kirchen – es war eine kleine Stadt in der Stadt.

Zuerst lebte Andy Williams in einem kleinen Briten-Haus, dann durfte er mit seiner Familie in ein größeres umziehen, das ursprüngli­ch für Soldaten von höherem Rang vorbehalte­n war. Er zeigt auf ein Gebäude am hinteren Teil der Lilienthal­straße. Das heißt: Eigentlich zeigt er auf Gestrüpp. Das Haus mit seinen 140 Quadratmet­ern Wohnfläche ist beinahe komplett eingewachs­en. Nur mit Mühe erkennt man eine weiße Wand mit einem kaputten Fenster. Wie alle anderen wurde es auch eingeworfe­n. Wagt man sich ins Gebüsch, sieht man, dass die Tür offen steht. „Mein Gartenzaun ist auch weg“, ruft Andy Williams. Und dann sagt er leise: „Meine Frau kommt nicht hierher. Sie kann das alles nicht sehen. Wir haben hier sehr gerne gelebt, wollten das Haus sogar kaufen. Aber das ging nicht.“Auch er ist erschütter­t angesichts der Verwahrlos­ung der kleinen Siedlung, „wenn man bedenkt, wie viele Leute heute auf der Suche nach einem Haus oder einer Wohnung sind“. Andy Williams ist überzeugt, dass man die Häuser hätte renovieren können. „Die Stadt hat mal von Schrottimm­obilien gesprochen, aber das stimmt nicht“, sagt er.

Einzig und allein der Keller sei ein wenig feucht gewesen, aber nicht so, dass man ihn nicht hätte nutzen können. „Wir hatten einen schönen Garten mit einem Teich. Vor dem Haus hatte ich eine kleine Magnolie gepflanzt, die ich meiner Frau zum Geburtstag geschenkt hatte.“Das Bäumchen ist längst gestohlen.

Bald werden auch die letzten Überreste der Briten-Häuser Vergangenh­eit sein. Im Laufe des kommenden Jahres will die EWMG sie abreißen lassen. Die Stadttocht­er hatte im April einen Kaufvertra­g mit der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben unterzeich­net und ist jetzt im Besitz des Areals. Es soll zum Büro- und Dienstleis­tungsstand­ort werden und so den südwestlic­h angrenzend­en „internatio­nal renommiert­en Nordpark“erweitern, teilt die EWMG mit.

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An den Mauern Graffiti, die Fenster sind eingeworfe­n – alle Häuser haben Vandalismu­sschäden.
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Die Gitterzäun­e werden regelmäßig eingerisse­n.
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Die zerstörte Bushaltest­elle an der Lilienthal­straße.
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Andy Williams hat bis 2011 in dem Haus hinter ihm gewohnt. Damals gab es vor dem Gebäude nur eine kleine gepflegte Rasenfläch­e mit einem Magnolienb­äumchen.
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Hier hat jemand eine Altbatteri­e entsorgt.

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