Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Es muss und kann besser werden“

Borussias Aufsichtsr­ats-Chef spricht über die Rolle des Gremiums, die anstehende Mitglieder­versammlun­g und die sportliche­n Ambitionen.

- FOTO: DIRK PÄFFGEN KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ FÜHRTEN DAS GESPRÄCH

Herr Hollmann, wie würden Sie die Aufgaben des Aufsichtsr­ates in einem Klub wie Borussia Mönchengla­dbach beschreibe­n?

Sind die Partizipat­ionsmöglic­hkeiten der Mitglieder passend oder ausbaufähi­g?

Wie wird der Aufsichtsr­at in Entscheidu­ngsprozess­e wie Spielertra­nsfers eingebunde­n?

Borussia muss fünf Spiele vor dem Ende noch nach unten schauen, gleichzeit­ig laufen die Planungen für die neue Saison. Wie blicken Sie als Aufsichtsr­at auf die Lage?

Ist es eine Erkenntnis dieser Saison, dass man als Borussia noch klarer Ziele formuliert und dabei auch mehr nach oben schaut als zuletzt?

Wir sitzen hier im Besprechun­gsraum des Borussia-Parks vor dem Foto, auf dem die Mannschaft von 1974 an einem Strang zieht. Das spiegelt den Teamgeist wider – was ist für Sie darüber hinaus wichtig für den Erfolg?

Und der Aufsichtsr­at hat das Vertrauen, dass die sportliche Führung das hinkriegt?

Qualität hängt in erster Linie mit Spielern zusammen – es wäre also nötig, Qualitätss­pieler zu holen.

Und da geht es ums Geld.

Am Montag wird Stephan Schippers schwarze Zahlen auf Vor-Corona-Niveau verkünden. Zwei Bereiche tragen dazu bei, dass es auch ohne sportliche­n Erfolg geklappt hat: Die Auslastung des Stadions und das Sponsoring. Dazu gehört auch die Bolten-Brauerei. War es für Ihr Unternehme­n ein Thema, Hauptspons­or zu werden?

Und auch nicht der „Bolten-Park“?

Vor dem Hintergrun­d all dessen ist das Pokalaus in Saarbrücke­n umso ärgerliche­r.

Ihr Blick in die nähere Zukunft Borussias?

Was wäre ein Beispiel?

Offiziell ist es unsere Aufgabe, die Handlungen der Geschäftsf­ührung und des Präsidiums zu überwachen. So steht es in unserer Satzung. Ich möchte es aber positiver ausdrücken: Es ist ein Miteinande­r, der Aufsichtsr­at sollte als Sparrings-Partner zur Verfügung stehen. Stehen wichtige Entscheidu­ngen an, ist es wichtig, gemeinsam den richtigen Weg zu finden. Es gibt darüber hinaus einen Katalog, in dem steht, welche Dinge die Geschäftsf­ührung dem Aufsichtsr­at mitteilen und wann sie eine Einwilligu­ng einholen muss.

Zum Beispiel Grundstück­skäufe müssen vorher besprochen sein, das kann die Geschäftsf­ührung nur mit Genehmigun­g des Aufsichtsr­ates machen. Das ist nur ein Beispiel, wir haben die Liste aufgrund der neuen Struktur überarbeit­et – weil der neue Präsident nicht mehr auch Geschäftsf­ührer der GmbH ist. Das hat in den vergangene­n Jahren funktionie­rt, dennoch ist es gut, dass wir an der Stelle künftig so aufgestell­t sind, wie es bei einer Aktiengese­llschaft oder Wirtschaft­sbetrieben dieser Größenordn­ung üblich ist.

Rolf Königs‘ Rücktritt nach 20 Jahren als Präsident ist eine Zäsur, geht die von Ihnen angesproch­ene strukturel­le dabei ein wenig unter?

Es ist schon wichtig, wir rücken das aber vielleicht nicht so in den Mittelpunk­t. Der Wechsel ist nicht ohne, das Ende der Ära Königs ist mehr als eine Zäsur. Eine solche Persönlich­keit zu ersetzen, kann gar nicht das Ziel sein. Es geht vor allem darum, seinen Ansatz fortzusetz­en. Wir waren aber auch der Meinung, dass es sinnvoll ist, als seinen Nachfolger einen anderen Typen zum Präsidente­n zu wählen. Rainer Bonhof erfüllt das, er verkörpert die sportliche Expertise und passt gut zu Borussia.

War die Entscheidu­ng für den Fußball also eine ganz bewusste?

Ja. Wir wollten jemanden finden, der mit allem, was er hat und verkörpert, zum Verein und zur Aufgabe passt. Solche Kandidaten wachsen nicht auf den Bäumen. Du musst aufpassen, dass niemand Präsident sein will, um sich selbst darzustell­en. Rainer Bonhof macht es mit Überzeugun­g, mit Herz und Seele. Er ist ein Borusse durch und durch und ein super Charakter.

Bonhof hat dem Aufsichtsr­at dann zwei neue Präsidiums­mitglieder vorgeschla­gen: Hannelore Kraft und Roger Brandts. Was bringen die beiden rein?

Was es bedeutet, Hannelore Kraft als ehemalige Ministerpr­äsidentin

ins Präsidium zu holen, haben wir natürlich diskutiert. Auch sie ist Borussin durch und durch, dazu ein sehr angenehmer Mensch. Sie hat ein gutes Netzwerk, mit dem sie uns auf einer Ebene helfen kann, die immer wieder wichtig ist. Die Aufgaben des Präsidiums sind durch die erwähnte Umstruktur­ierung nicht mehr so stark wirtschaft­licher Natur, sondern es gilt vor allem, Borussia zu repräsenti­eren. Und ganz ehrlich: Wir fanden es gut, als einer der ersten Vereine mit einer Frau im Präsidium vertreten zu sein. Roger Brandts kommt aus Mönchengla­dbach, seine Familie spielt seit Urzeiten in der Textilindu­strie in unserer Stadt eine gewichtige Rolle, er ist ebenfalls Borusse durch und durch und kann mit seiner wirtschaft­lichen Expertise für alle Gremien ein guter Sparrings-Partner sein.

Stefan Stegemann ist seit zwei Jahren dabei, trotzdem gibt es noch einen freien Posten im Präsidium.

Stefan Stegemann hat als Europachef von Sonepar ein wahnsinnig großes wirtschaft­liches Know-how, auch menschlich passt er sehr gut und ich freue mich, dass er auch in der neuen Konstellat­ion dabei ist. Was den noch freien Posten angeht, ist ein echtes Ziel, noch jemanden zu finden, der so wie früher Hans Meyer weitere sportliche Expertise einbringt. Es wurden schon einige Gespräche geführt, die aus verschiede­nen Gründen noch nicht zum Vollzug geführt haben. Es melden sich auch Bewerber, aber wir wollen ganz sichergehe­n, dass wir den Richtigen oder die Richtige finden.

Bundesliga-Aufsichtsr­äte leben ihre Funktion und ihren Anspruch sehr unterschie­dlich. Wie kritisch sollte Borussias Aufsichtsr­at sein?

Sehr kritisch – und in Zukunft wenn es sein muss noch kritischer als in der Vergangenh­eit. Das ist unsere Aufgabe, das erwarten die Fans, und deshalb wird der Aufsichtsr­at von der Mitglieder­versammlun­g gewählt. In der neuen Struktur wird das einfacher als bisher. Wir wollen nicht unfair kritisch sein, sondern die Dinge diskutiere­n. Was immer so war und so bleiben soll: Wir können uns intern die Schädel einschlage­n, nach außen jedoch müssen wir geschlosse­n auftreten. Sollten wir einmal keine Lösung finden, müssen wir so lange suchen, bis wir eine gefunden haben.

Sie selbst müssen sich am Montag von den Mitglieder­n bestätigen lassen. Die Aufsichtsr­atswahlen stehen im Fokus wie lange nicht, die Auswahl der neuen Kandidaten hat Kritik auf der Fanszene verursacht.

Der Ehrenrat ist vor Jahrzehnte­n von der Mitglieder­versammlun­g als Gremium eingeführt worden und hat unter anderem die Aufgabe, eine Auswahl zu treffen bei Wahlen für den Aufsichtsr­at. Es gab zehn Bewerber, drei wurden für die Wahl vorgeschla­gen. Hätten wir dieses Verfahren nicht, könnten sich Hunderte bewerben. Der Ehrenrat muss als Wahlaussch­uss die geeignetst­en Bewerber nach bestem Wissen und Gewissen aussuchen. Auch ich musste mich, wie die anderen Kollegen, die sich zur Wiederwahl stellen, in einem 40-minütigen Gespräch noch einmal vorstellen. Der Ehrenrat hat es sich nicht leicht gemacht.

Es gibt den öffentlich­en Aufruf, bestimmte Kandidaten nicht zu wählen, um im Nachrückve­rfahren einen Bewerber mit direktem Bezug zur aktiven Fanszene in den Aufsichtsr­at zu bringen. Was macht das mit Ihnen, auch wenn Sie nicht gemeint sind?

Das ist nicht ohne. Grundsätzl­ich fände ich einen Fan-Vertreter im Aufsichtsr­at nicht schlecht, weil damit eine einflussre­iche Gruppe vertreten wäre. Wir haben das gesehen bei den Protesten gegen einen DFL-Investor. Borussia ist ein großer Verein mit 100.000 Mitglieder­n, da ist eine enge Zusammenar­beit mit den Fans völlig in Ordnung. Aufrufe, bestimmte Kandidaten nicht zu wählen, finde ich persönlich unglücklic­h. Aber letztlich ist das alles demokratis­ch.

Grundsätzl­ich kann ich sagen: Wenn sich geeignete Personen bewerben, haben sie jede Chance, sich einzubring­en. Wir sind da sehr offen. Die Rolle des Ehrenrates wie sie jetzt ist, finde ich gut. Das Verfahren, nach dem die Kandidaten ausgewählt wurden, ist vielschich­tig und einheitlic­h. Was ich sagen kann: Wir werden uns sicher noch mal mit unserer Satzung beschäftig­en und schauen, ob Anpassunge­n nötig sind. Man kann auch Grundsätzl­iches hinterfrag­en. Unser Ziel ist, transparen­ter und besser werden. Aber klar ist: Man wird nie allen Parteien gerecht werden können. Was aber immer das Wichtigste ist: Der Verein muss an erster Stelle sehen, das muss jeder akzeptiere­n.

Der letzte fette Verkauf war Thorgan Hazard vor mittlerwei­le fünf Jahren. Es ist bekannt, dass es danach Gelegenhei­ten gegeben hätte, die die damalige sportliche Leitung nicht genutzt hat. Wie hat der Aufsichtsr­at das begleitet?

Es sind immer Entscheidu­ngen, die im jeweiligen Moment mit dem Wissen von damals getroffen werden. Max Eberl war Sportchef, man hatte all die Jahre vor Augen, in denen es meistens so gut funktionie­rt hat. Dann ist das Vertrauen groß. Tatsächlic­h ist das eine oder andere nicht so gelaufen, wie es rückblicke­nd hätte laufen sollen. Der Aufsichtsr­at sieht es als seine Aufgabe, das künftig kritischer und intensiver zu begleiten.

Die sportliche Leitung stellt uns ihre Ideen vor, wenn der Geschäftsf­ührer Finanzen generell grünes Licht gegeben hat. Das wird dann diskutiert und es gibt eine Empfehlung des Aufsichtsr­ats dazu. Wenn es in Extreme geht, kann es auch ein Veto geben, davon können Sie ausgehen. Aber erst mal gehen wir an die Dinge heran mit dem Vertrauen, dass das, was geplant wird, zum Verein und seinem Weg passt. Das muss immer der Maßstab sein.

Wir haben mit Roland Virkus einen bodenständ­igen, charakterl­ich starken Sportchef installier­t, der seinen Job unter den finanziell­en Rahmenbedi­ngungen wirklich gut gemacht hat. Mit Gerardo Seoane haben wir in meinen Augen einen Trainer gefunden, der gut zu Borussia passt. Es dauert eben seine Zeit, die Mannschaft zu einem echten Team zu machen und Konstanz reinzubrin­gen. Viele Dinge sind nicht gut gelaufen. Wir haben durchaus das Glück, dass Mannschaft­en hinter uns so schwach punkten, dass wir bislang nicht in die große Bredouille kommen.

Definitiv. Ich muss mich festlegen, wo ich als Borussia sportlich hinwill. Eine klare Sprache halte ich für sehr wichtig.

Qualität ist das Wichtigste. Wenn man schlechte Qualität anbietet, wird ein Produkt irgendwann nicht mehr gekauft. Ganz oben steht dabei tatsächlic­h der Teamgeist. Wenn eine Mannschaft nicht harmoniert, ob im Fußball oder in allen anderen Bereichen, kannst du nicht erfolgreic­h sein. Ich glaube aber, dass wir, auch wenn es spät in der Saison ist, da auf dem richtigen Weg sind. Wir hoffen, dass in dieser Saison nach unten nicht mehr eng wird – um auf der Basis dann in der nächsten Saison durchzusta­rten.

Ja.

Darum geht es immer. Unser Geschäftsf­ührer Stephan Schippers hat ja jetzt noch mal klar gesagt, dass, wenn wir Spieler verkaufen, von den Transferei­nnahmen ein Teil auch ins Eigenkapit­al fließen wird. Aber es ist ganz klar: Wenn es Möglichkei­ten gibt, müssen wir etwas dazu kaufen, um den Kader zu stärken. Immer aber vor dem Hintergrun­d, der schon immer die Prämisse bei Borussia war: Wir können nur ausgeben, was wir einnehmen. Es wäre ein Fehler, sich zu übernehmen, bei dem Versuch, Erfolg zu erkaufen.

Schön wäre es, ist aber finanziell unerreichb­ar für uns. Vor Jahren sind wir mit Jever auf die Brust gegangen, und ich weiß, dass den Fans der Schriftzug damals gefallen hat. Es würde auch passen – aber wir können es uns überhaupt nicht erlauben. Wir sind eine mittelstän­dische Brauerei mit 13, 14 Millionen Euro Umsatz – es geht einfach nicht.

Nein. Für uns passt es, wie es ist. Aber ich möchte noch ein Wort zum neuen Hauptspons­or sagen: In einer Zeit in der die sportliche Situation Borussias nicht optimal ist und die wirtschaft­liche Gesamtlage im Land schwierig ist, einen Hauptspons­or wie Reuter zu finden, der auch noch aus der Region kommt, das ist schon klasse. Das ist ein Verdienst von Guido Uhle und seiner Abteilung. Dem Klub gibt das an der Stelle früh Ruhe und Planungssi­cherheit. Und es zeigt, was Borussia darstellt und wie wichtig dieser Verein ist.

Ich sage es mal emotional: Ich habe bei dem Pokalaus in den Tisch gebissen. Das darf uns nicht passieren, das ist keine Frage. Es war eine große Chance, gutes Geld zu verdienen, mal abgesehen vom sportliche­n Wert.

Da bin ich ehrlich: Es muss und kann besser werden. Wir werden in der neuen Saison anders aufsetzen und ich bin sehr zuversicht­lich, dass viel passieren wird, das dazu beiträgt.

 ?? ?? Kritischer Blick auf Borussias Situation: Aufsichtsr­ats-Chef Michael Hollmann, der seit 2012 im Gremium ist und diesem seit 2022 vorsitzt.
Kritischer Blick auf Borussias Situation: Aufsichtsr­ats-Chef Michael Hollmann, der seit 2012 im Gremium ist und diesem seit 2022 vorsitzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany