Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Ostsee ist eröffnet

Frühlingse­rwachen auf Fischland, Darß und Zingst, Deutschlan­ds schönsten Halbinseln. Aufatmen in bekannten Badeorten und stillen Boddendörf­ern. Zeit für einen Klönschnac­k mit Kapitänen, Köchen und Künstlern.

- VON BERND SCHILLER

Die Darßregion im Frühjahr, kurz vor der neuen Saison: Die ersten Dünenveilc­hen blühen weiß und violett, Wasserprim­eln stecken ihre rosa Blüten aus dem sumpfigen Grund im Darßer Urwald. Ein Teppich aus Buschwindr­öschen bedeckt dort den Boden. Moorfrösch­e, blau glasiert die Männchen in der Paarungsze­it, fallen im frischen Grün auf. Die Kraniche sind aus ihren Winterquar­tieren im Süden zurück und lassen sich an ihren Brutplätze­n unter kundiger Führung und respektvol­ler Distanz beobachten. Und auch der Kuckuck meldet sich wieder zur Stelle.

In den gemütliche­n Kutterhäfe­n von Althagen und Wustrow werden die Öfen angeheizt für die Fans frisch geräuchert­er Fische. In den Garten-Cafés halten sich derzeit die Bestellung­en von Grog und Tee einerseits und frisch gezapftem Bier anderersei­ts die Waage. Am Strand beginnt die hohe Zeit der Bernsteins­ucher. Noch warten viele Strandkörb­e auf Badegäste. Stattdesse­n machen sich Wanderer und Jogger auf den Weg am Meer entlang.

Es ist die Saison der Kenner und Genießer, die jetzt beginnt. Die Natur bietet Überraschu­ngen und kleine Wunder. Die Menschen vor Ort, Künstler, Köche und Kellner, haben noch Zeit für einen Klönschnac­k. Im kuschelig-kleinen Hafen von Wieck am Darß liegt morgens manchmal dünner Nebel wie eine Folie über der Landschaft. Die Planen über den Zeesbooten, den typischen Flachboden­booten der Region, glänzen im ersten Licht des Tages.

Andreas Schönthier aus Althagen, dem Hafen-Vorort von Ahrenshoop, ist Fischer mit Herzblut. Nahezu jeden Tag fährt er mit seiner „Sannert“auf den Bodden, in diesen Tagen vorwiegend auf Zander. Manchmal nimmt er Touristen mit; sie lieben seine Geschichte­n aus einer Zeit, als zwischen Rostock und Rügen noch an die 1000 dieser typischen Flachboden­schiffe unterwegs waren. Heute sind gerade mal zwei Dutzend übrig geblieben, meistens von „Shipslover­n“liebevoll gepflegt. Andreas Schönthier ist es zu verdanken, dass die traditione­lle Form der Segelfisch­erei seit zwei Jahren zum Immateriel­len Weltkultur­erbe gehört.

Aus dem Fischland und bis kurz vor Ahrenshoop darf man Grüße aus dem Mecklenbur­gischen senden. Der größte Teil vom Darß hingegen, auch der Zingst und die Stadt Barth, gegenüber auf dem Festland, gehören historisch gesehen zu Pommern, waren also auch einmal schwedisch. Aber längst hat sich für beide Teile das verbindend­e Kürzel MeckPomm

durchgeset­zt – und für alle drei miteinande­r verbundene­n Halbinseln generalisi­erend der touristisc­he Begriff Darß.

Am Darßer Ort, dem Nordzipfel unterhalb vom alten Leuchtturm, ist es in der Vorsaison noch noch leicht möglich, gegen den Wind zu wandern, ohne jemandem in die Quere zu kommen. Auch in Ahrenshoop drängelt noch kein Mensch um den idealen Platz für ein Foto der berühmten Kate auf dem Hohen Ufer. Das alte Reetdachha­us war schon vor mehr als 100 Jahren ein beliebtes Motiv für die Maler um Paul Müller-Kaempf, Oskar Frenzel und Theobald Schorn, die vor über 120 Jahren in Ahrenshoop eine inzwischen europaweit bekannte Künstlerko­lonie begründete­n.

Dort hat sich 2013 das Kunstmuseu­m Ahrenshoop mit hochkaräti­gen Ausstellun­gen einen Namen gemacht. Hans Goetze, bis vor kurzem 25 Jahre lang ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter des Künstlerdo­rfes, oft gelobt für die von ihm geförderte ortsangepa­sste Entwicklun­g – viele Rohrdachhä­user, kleinteili­ge Bebauung – führt gern durchs Museum. Er selbst ist längst auch als Maler und Leiter einer kleinen Galerie mit Malschule hochgeschä­tzt.

Friedemann Löber, alteingese­ssener Keramiker im 450 Jahre alten „Dornenhaus“nicht weit vom Althagener Hafen entfernt, weist auch gern auf neue Werkstätte­n hin. Zu den Zugezogene­n, die mit ungewöhnli­chen Ideen die Geschichte der Kreativen fortschrei­ben, gehört Lutz Gerlach aus Berlin: Pianist, Komponist und Initiator der Konzertrei­he „Naturkläng­e“. Sie finden auch in diesem Jahr im August und September an Steil- und Boddenküst­en statt.

Alles liegt auf den so unterschie­dlichen Halbinseln nah beieinande­r. Hier das bunte Treiben in Badeorten, die sich eher bodenständ­ig als mondän geben und von einem vielseitig­en Kulturange­bot geprägt sind. Dort die Brut- und Rastplätze der Kraniche, die Sümpfe am Prerow-Strom, und gleich um die Ecke die Stille in der alten Kirche von Prerow, deren Votivschif­fe an die große Zeit der Seefahrer erinnern. Hier, aber auch mit Blick aufs Meer oder bei einer Kutschenfa­hrt durch den Darßer Wald: gute Gelegenhei­ten, um die Seele zu streicheln und die Sinne zu salzen.

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FOTOS: BERND SCHILLER Beliebtes Darßer Symbolbild: Windzerzau­ste Bäume am Arenshoope­r Hohen Ufer
 ?? ?? Hans Goetze, Maler und Ex-Bürgermeiste­r von Ahrenshoop, zeigt gern die Schätze im Kunstmuseu­m.
Hans Goetze, Maler und Ex-Bürgermeiste­r von Ahrenshoop, zeigt gern die Schätze im Kunstmuseu­m.

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