Rheinische Post Opladen

Klare Ansagen in München an die USA

Wie geht es weiter in der Nato? Bei der Sicherheit­skonferenz versucht es Ursula von der Leyen mit einer umarmenden Ermahnung.

- VON GREGOR MAYNTZ

MÜNCHEN Wenn die US-Regierung unter dem neuen Präsidente­n Donald Trump ein Zeichen des Auseinande­rdriftens in der Nato hätte geben wollen, dann wäre die Münchner Sicherheit­skonferenz der falsche Platz dafür. Denn auch die Amerikaner wissen nur zu gut: Der Bayerische Hof in München steht nicht für Distanz. Da wird es schon zum Auftakt der Traditions­veranstalt­ung eher kuschelig. Die beiden Verteidigu­ngsministe­r Ursula von der Leyen und James Mattis sitzen dicht nebeneinan­der, plaudern mit fröhlicher Miene. Sie haben sich vor einer Woche in Washington gesehen, vor zwei Tagen in Brüssel, und nun sagen sie „Ursula“und „Jim“zueinander.

Und so wertet von der Leyen den Umstand, dass sie beide diese mit Spannung erwartete Sicherheit­skonferenz gemeinsam eröffnen, als „gutes Zeichen für die Freundscha­ft zwischen unseren Ländern“. Doch diese Höflichkei­t dauert nur Sekunden, dann geht es zur Sache. Gleich zu Beginn der Rede wird die deutsche Strategie der umarmenden Ermahnung sichtbar. Sie greift Trumps Verlangen nach einer fairen Lastenteil­ung im Bündnis auf und stellt fest, dass dies bedeute, jederzeit für den anderen einzustehe­n, wenn dieser in Not sei. „Das schließt Alleingäng­e aus“, hält von der Leyen fest. Und damit auch jeder weiß, an wen sich dieser Appell richtet, konkretisi­ert sie: „Sowohl Alleingäng­e des Vorpresche­ns, aber auch Alleingäng­e des Wegduckens.“

Ende der Durchsage? Nein, eher der Anfang des konzertier­ten Versuchs, das Trump-Amerika in der Nato, in der Partnersch­aft mit der EU und vor allem in der gemeinsame­n Verantwort­ung zu halten. Und zwar nach Art der Münchner Sicherheit­skonferenz, wo traditione­ll auch das weniger diplomatis­che Wort gewählt wird. Gemeinsame­r Kampf gegen den Terrorismu­s, führt von der Leyen weiter aus, das habe nichts damit zu tun, eine Front zu bilden gegen den Islam oder Muslime an sich. Soviel zu Trumps neuem Anlauf zu einem Einreisest­opp.

Von der Leyen macht zudem klar, dass die Forderung der US-Regierung, mehr in die Verteidigu­ng zu investiere­n, längst auf dem Weg ist. Um acht Prozent habe Deutschlan­d seinen Verteidigu­ngsetat aufgestock­t. „Wir Deutschen haben verstanden, dass wir nach einer Periode, in der wir die Vorzüge einer Friedensdi­vidende nutzen konnten, jetzt beharrlich investiere­n müssen in eine Sicherheit­srücklage“, lautet ein weiterer zentraler Satz an die- sem Nachmittag. Und er macht im Zusammenha­ng klar, was heute Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit US-Vizepräsid­ent Mike Pence besprechen wird, wenn sie sich erstmals in München treffen.

Auch James Mattis gibt bereits einen Vorgeschma­ck von den Vorstößen, die von Trumps Leuten zu erwarten sind. Sie stellen die Nato nicht (mehr) infrage, aber sie bestehen darauf, dass sie sich ändert. „Wir werden das Bündnis anpassen an die neuen Herausford­erungen“, kündigt Mattis an. Und er verweist auf den Kampf gegen den islamistis­chen Terror, nennt „den Süden“, das Mittelmeer und die türkische Grenze. Aber er betont auch, dass sich niemand täuschen solle, wer nun den Ton angibt. Neben strategisc­hen müssten auch „politische Realitäten anerkannt“werden: Trump im Amt.

Stunden später Senator John McCain wird die Botschaft der Amerikaner für die Welt in einen einfachen Satz zusammenfa­ssen, auf den sich die US-Delegation parteiüber­greifend verständig­t hat: „Ja, es sind gefährlich­e Zeiten, aber Sie sollten Amerika nicht abschreibe­n“, sagt McCain.

Dazwischen verfolgen die Konferenzt­eilnehmer den Versuch einer Klärung: Wird die EU in Zukunft geeint oder geteilt sein? Der für viele beklemmend­e Befund: Die Teilung ist keine Frage der Zukunft, schon in der Gegenwart scheinen Podiumstei­lnehmer wie der polnische Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski und der Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Frans Timmermans, in verschiede­nen Welten zu leben.

Sie geraten heftig aneinander und belegen, dass es über die angeblich gemeinsame­n Werte der EU keinen Common Sense mehr gibt. Leidenscha­ftlich wirbt Timmermans für die gleichen Rechte aller Bürger in der EU, die auch europäisch­e Bürgerrech­te hätten und diese in Rumänien und auch in Polen einfordert­en, wenn sie diese verletzt wähnten.

Eine ungerechtf­ertigte Einmischun­g in die inneren polnischen Angelegenh­eiten nennt das Waszczykow­ski, eine Missachtun­g der polnischen Verfassung. Timmermans spricht in diesem Zusammenha­ng von „alternativ­en Fakten“aus dem Mund des polnischen Ministers. Der deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble warnt davor, in die falsche Richtung aufzubrech­en. In seiner Zeit als Innenminis­ter sei es eine besondere Herausford­erung gewesen, die Grenzkontr­ollen an der polnischen Grenze abzuschaff­en. „Es wäre eine Katastroph­e, sie wieder aufzubauen“, beschwört er die Konferenz.

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FOTO: GETTY Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen und ihr US-Amtskolleg­e James Mattis bei der Eröffnung der Münchner Sicherheit­skonferenz.

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