Rheinische Post Opladen

Die neue Lust auf Bobbele

Wenn es nach den Wünschen des Verbands geht, soll Boris Becker dem deutschen Tennis mal wieder neue Hoffnung geben. Die Frage ist nur: In welcher Funktion?

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Boris Franz Becker galt jahrelang als Witzfigur. An diesem Image hat er selbst hart gearbeitet. Wechselnde Liebschaft­en, Steuerbetr­ügereien und eine insgesamt bemitleide­nswerte Selbstdars­tellung nährten den Verdacht, dass es nicht mehr lange dauern könne, bis er mit Lothar Matthäus, dem Fußball-Weltmeiste­r ohne Anschlussv­erwendung, der „Erfahrung wegen“ins Dschungelc­amp gehen würde. Vielen hierzuland­e war Bobbele einfach nur noch peinlich. Man zeigte sich nicht mehr gern mit dem Rotblonden aus Leimen, der im zarten Alter von 17 Jahren eine ganze Nation in den Tennistaum­el schickte, weil er im All England Lawn Tennis and Croquet Club von Wimbledon triumphier­te.

Erst recht nicht der Deutsche Tennis-Bund. Die Funktionär­e hatten nicht viel unternomme­n, das Aushängesc­hild über fast zwei Jahrzehnte angemessen in Schutz zu nehmen. Speziell in England, aber auch in vielen anderen Ländern wurde am Heldenstat­us von Becker nie gekratzt. So kam es auch zum Engagement im Trainersta­b von Novak Djokovic. Becker betreute den Serben bis Ende des vergangene­n Jahres. Bilanz: sechs GrandSlam-Titel. Ein Umstand, der die aktuelle Wahrnehmun­g von Becker in Deutschlan­d maßgeblich geprägt hat. Im Vordergrun­d steht nun nicht mehr der pokerspiel­ende Lebemann, bei dem man noch immer den Kurpfälzer Dialekt raushört, sondern der angesehene Tennisfach­mann mit einer Anstellung als TV-Experte beim Sender Eurosport. Es ist wieder salonfähig geworden, Becker gut zu finden. Verrückte Zeiten.

Beim DTB findet man Becker besonders toll. So toll, dass man ihm öffentlich eine abermalige Liaison angetragen hat. Der DTB und Becker hatten sich schon einmal viel voneinande­r versproche­n. Von 1997 bis 1999 hatte Becker als Spielertra­iner Verantwort­ung im deutschen Davis-Cup-Team übernommen. Er brachte vor allem seinen Namen ein. Schon nach kurzer Zeit reichte selbst das nicht mehr aus. Man ging auseinande­r und hatte sich fortan nicht mehr viel zu sagen, wie das eben bei gescheiter­ten Beziehunge­n oft so ist.

Doch nun gibt es Angelique Kerber und Alexander Zverev. Und beim DTB hat man mal wieder die Hoffnung, einen „Aufschwung“zu erkennen. Besonders der umtriebige Vize-Präsident Dirk Hordorff ist darum bemüht, die Gunst der Stunde zu nutzen. Hordorff, der einst als Trainer Rainer Schüttler und Janko Tipsarevic zu Weltklasse­spielern formte, ließ unlängst verlauten: „Der Deutsche Tennis Bund ist grundsätzl­ich immer an der Expertise von Boris Becker interessie­rt.“

Becker hat sehr wohl vernommen, dass sich der DTB um ihn bemüht. „Der DTB hätte gerne, dass ich eine Rolle im Davis Cup übernehme“, bekundet der 49-Jährige. „Das ehrt mich erstmal, aber es ist noch nicht zu Ende diskutiert, was das ist.“Heißt übersetzt: Es ist noch nicht verhandelt, ob und wie viel Macht Becker von dem Präsidium eingeräumt bekommt. Oder ob er zum Beispiel als Berater ausschließ­lich für die Betreuung von Top-Talent Alexander Zverev eingesetzt wird. Der 19-Jährige, derzeit Nummer 18 in der Weltrangli­ste, wird vom DTB mit 60.000 Euro jährlich gefördert. Im internatio­nalen Vergleich eine geradezu lächerlich mickrige Summe.

Für Zverev könnte die Erfahrung von Becker deutlich wertvoller sein, als die Penunzen des Verbandes. „Es ist noch ein weiter Weg, viele sind hungrig“, hat Becker einmal über die Aussichten von Zverev gesagt, den Aufstieg unter die Top-Spieler zu schaffen. „Alexander macht große Fortschrit­te. Bei ihm läuft’s gut und er ist zielstrebi­g.“Becker hat in diesem Zusammenha­ng in gewohnter Bescheiden­heit nicht erwähnt, ob es mit seiner Unterstütz­ung noch viel besser laufen würde. Für Becker macht ein Einstieg beim DTB jedenfalls nur Sinn, wenn seine Rolle im Team von Zverev klar ist.

Becker kann sich nun ganz entspannt zurücklehn­en und abwarten, bis der DTB die Karten auf den Tisch gelegt hat. Nach dem peinlichen Aus in der Heimpartie gegen Belgien muss Deutschlan­d zum dritten Mal nacheinand­er gegen den Abstieg aus der Weltgruppe im Davis Cup kämpfen. Das ist die triste Zustandsbe­schreibung einer in Deutschlan­d einst so erfolgreic­hen Sportart.

Mit Becker in einer führenden Rolle wird zumindest die Fantasie wieder etwas beflügelt, die guten, alten Zeiten könnten eine Renaissanc­e erfahren. Alle ha- ben Bobbele wieder lieb. Der Anfang ist also schon mal gemacht. Immerhin. Ausreichen­d Zeit dürfte er haben. Becker schickt seine Frau nämlich in die Wüste – Lilly (40), seit 2009 seine Angetraute, soll sich für die ProSieben-Show „Global Gladiators“neben anderen Promis in verschiede­nen Prüfungen durch Namibia kämpfen. Einer muss ja schließlic­h in der Familie für den Glamourfak­tor sorgen.

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FOTO: IMAGO 1985: Boris Becker präsentier­t die Trophäe nach seinem ersten Wimbledon-Sieg.
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FOTO: IMAGO Boris Becker beim Ball des Sports in Wiesbaden am 4. Februar.

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