Rheinische Post Opladen

Mildes Urteil gegen Soldat in Israel

Elor Asaria erschoss einen liegenden Palästinen­ser. Der Fall wühlt das Land auf.

- VON SUSANNE KNAUL

TEL AVIV Für 18 Monate muss der israelisch­e Soldat Elor Asaria ins Gefängnis – wenn er nicht begnadigt wird. Das urteilte gestern ein dreiköpfig­es Militärtri­bunal in Tel Aviv. Das Gericht hatte Asaria, der zusätzlich degradiert wird, bereits Anfang Januar des Totschlags an einem Palästinen­ser in der Stadt Hebron schuldig gesprochen. Asaria hatte im Mai 2016 vor laufenden Kameras einem verwundet am Boden liegenden Messeratte­ntäter in den Kopf geschossen. Er habe in der Absicht zu töten gehandelt und nicht aufgrund des Gefühls einer Bedrohung, erklärte die Vorsitzend­e Richterin Maya Heller gestern.

Vor dem Gerichtsge­bäude riefen nationalre­ligiöse Demonstran­ten: „Das Volk Israel lässt seine Soldaten nicht hängen.“Für das rechtsreli- giöse und rechtsnati­onale Lager ist der heute 20 Jahre alte Asaria ein Held, der schoss, um sich und seine Kampfgenos­sen vor einem Terroriste­n zu schützen. Die linksliber­ale Tageszeitu­ng „Haaretz“bezeichnet­e das milde Strafmaß hingegen als eine „Kapitulati­on“der Armee. Zwischen drei und fünf Jahren Haft hatte die Staatsanwa­ltschaft gefordert. Die Militärric­hter hätten, so schrieb „Haaretz“, „dem Druck nicht standgehal­ten“. Eine weitere Strafminde­rung ist im Revisionsv­erfahren möglich, das Asarias Verteidige­r unmittelba­r nach Verkündung des Strafmaßes in Aussicht stellten.

Der Fall hat eine heftige Debatte in Israel ausgelöst. Verteidigu­ngsministe­r Mosche Jaalon, der das Verhalten Asarias verurteilt­e, musste im Streit mit Regierungs­chef Benjamin Netanjahu zurücktret­en. Netanjahu solidarisi­erte sich mit der Familie des Schützen und sprach sich für eine schnelle Begnadigun­g Asarias aus. Die Vereinte Liste der arabischen Abgeordnet­en in der Knesset warnte hingegen vor einem Straferlas­s, der von Soldaten als „Lizenz zum Töten von Palästinen­sern“missversta­nden werden könnte. Der Abgeordnet­e Josef Jabareen von der Vereinten Liste kommentier­te das Urteil als „der Schwere der Tat nicht angemessen“. Das Verhalten Asarias sei „kein Einzelfall, sondern Teil eines größeren Phänomens in der Armee“.

Die Familie des erschossen­en Palästinen­sers zeigte sich wenig überrascht von der milden Strafe. Mit Gerechtigk­eit hätten sie ohnehin nicht gerechnet, ließen sich die Eltern des Toten zitieren: „Die Strafe, die er bekommt, ist weniger als die, die ein palästinen­sisches Kind für Steinewerf­en bekommt.“

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