Rheinische Post Opladen

Schwarz ist die Farbe der Hoffnung

Zweimal verließ er seine Heimat, heute lebt er in Dubai und Texas: Der iranische Künstler Reza Derakshani ist ein Wanderer zwischen Welten und Zeiten – und ein Kritiker der Islamische­n Republik.

- VON BERTRAM MÜLLER

DÜSSELDORF Reza Derakshani ist Maler und Musiker, Dichter und Performanc­e-Künstler. Und er kennt sich aus in der Welt. Denn das Schicksal hat ihn zu einem unsteten Wesen gemacht. Als 1979 die Iranische Revolution Schah Mohammad Reza Pahlavi stürzte und Ajatollah Chomeini das Land aus der einen in die nächste Diktatur führte, ergriff Derakshani die Flucht und ließ sich für 16 Jahre in New York nieder. Dann ging er nach Italien. Von 2003 bis 2010 lebte er erneut in Teheran, wo er einst ein Kunststudi­um abgeschlos­sen hatte. Doch dieser Iran war nicht derjenige, den er brauch-

Der Künstlerko­llege Cy Twombly hinterließ Spuren in seinem Werk

te. Ohne Freiheit keine Kunst. Deshalb entschloss er sich, abwechseln­d in Dubai und im texanische­n Austin zu leben.

Bedeutende Museen in aller Welt hüten die Werke Derakshani­s: das Metropolit­an Museum in New York, das Russische Museum in St. Petersburg und sogar das Museum für zeitgenöss­ische Kunst in Teheran, jenes Haus, das seine Schätze im vorigen Jahr eigentlich in der Berliner Gemäldegal­erie zeigen wollte. Doch die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz sagte die Ausstellun­g, die vor allem die Sammlung westlicher Kunst aus dem einstigen Besitz des Schahs vorstellen sollte, nach längeren Auseinande­rsetzungen ab. Nicht nur, weil der iranische Präsident Hassan Ruhani zuletzt die Ausfuhr verweigert hatte, sondern auch, weil Majid Mollanoroo­zi, der Direktor des Teheraner Museums, im Sommer 2016 Gewinner eines befremdlic­hen Holocaust-Karikature­n-Wettbewerb­s auf einer mit Hakenkreuz­en dekorierte­n Bühne ausgezeich­net hatte.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war dem Westen klar, dass im Iran kein Klima für freie Kunst herrscht, erst recht kein Klima für freie Meinungsäu­ßerung. Wenn man Derakshani darauf anspricht, wie er die Zeit unter dem Schah empfindet im Vergleich zu heute, zeigt er auf eines seiner Bilder. Es hängt in einer Ausstellun­g seiner jüngsten Werke in der Galerie Setareh an der Düsseldorf­er Königsalle­e und heißt „Black Water“. Acht junge persische Sängerinne­n und Dichterinn­en halten sich auf dieser schwarz-weißgrauen, vier Meter breiten Leinwand mit ihren Köpfen über einer schwarzen Wasserfläc­he. Sie gehen nicht unter. Und sie tragen auch kein Kopftuch, wie das heute im Iran üblich ist. Damit erinnern sie an die Zeit des Schah-Regimes, als es Derakshani zufolge immerhin noch eine Menge Freiheiten gab: „Im Vergleich zu heute war es demokratis­ch.“Und „die Kunst boomte“. Es gab Filmfestiv­als, und Karlheinz Stockhause­n brachte aus dem Westen neue Klänge ins Land.

Schwarz ist für Derakshani eine Farbe nicht der Trostlosig­keit, sondern der Hoffnung auf Veränderun­g. Seine Figuren, so sagt er, gehen durch die Dunkelheit, um daraus hervorzuge­hen. Doch bezieht sich diese Hoffnung auf eine ferne Zukunft: „Solange das politische System sich behauptet, wird es nicht besser.“Könnte eine Revolution etwas ändern? Derakshani winkt ab: „Es wird keine Revolution geben, weil die Menschen erschöpft sind.“Vielleicht werde sich in 100 Jahren etwas ändern. Einstweile­n wolle er mit seiner Kunst die Ehre der Bevölkerun­g hochhalten: „Ich bin nicht stolz auf die Gegenwart meiner Heimat, wegen der zahlreiche­n politi- schen Einschränk­ungen gibt es dort keine bedeutende­n Poeten, Musiker und Künstler. Aber ich bin stolz auf die Geschichte, die Literatur des Irans. Ich bin stolz auf die Sprache und die Bildtradit­ionen.“

1992 hatte Derakshani die Serie seiner schwarzen Bilder begonnen, nachdem er zuvor in hellen Farben abstrakt expression­istisch gearbeitet hatte. Seine Freunde Cy Twombly und Francesco Clemente haben darin Spuren hinterlass­en, ebenso wie traditione­lle persische Kunst. Der plötzliche Wechsel zu Schwarz markierte eine Identitäts­krise des Künstlers, die Bilder halfen ihm, wie er sagt, „meinen Weg zu finden“. Die jüngste, erst im vorigen Jahr begonnene Serie schwarzer Bilder ist dagegen Derakshani zufolge kein Ausdruck einer Krise mehr.

Wie aus den neuesten schwarzen Bildern ein Quäntchen Hoffnung spricht, so steckt in den parallel entstanden­en farbigen ein Stück Todesahnun­g. Totenschäd­el füllen ganze Formate, und auch sonst macht sich in dickem Farbauftra­g Vergänglic­hkeit breit. In einer Fülle angedeutet­er Figuren finden sich in den neueren Arbeiten die großen Themen persischer Dichtung und Miniaturen wieder: Königinnen und Könige, Rose und Nachtigall. Am Ende zeigt sich Derakshami­s Werk so vieldeutig und geheimnisv­oll wie die Erzählunge­n aus Tausendund­einer Nacht.

 ?? FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Reza Derakshani vor seinem vier Meter breiten Gemälde „Black Water“in der Düsseldorf­er Galerie Setareh.
FOTO: ANDREAS ENDERMANN Reza Derakshani vor seinem vier Meter breiten Gemälde „Black Water“in der Düsseldorf­er Galerie Setareh.

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