Rheinische Post Opladen

Merkel wirbt um IWF-Hilfe für Athen

Die Bundeskanz­lerin trifft heute die Chefin des Währungsfo­nds, Christine Lagarde. Noch hält sich der Fonds bedeckt, ob er Griechenla­nd erneut finanziell unter die Arme greift. Finanzmini­ster Schäuble ist zuversicht­lich.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) geht davon aus, dass sich der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) an weiteren Griechenla­nd-Hilfen beteiligen wird – obwohl sich das IWF-Management in dieser Frage weiterhin bedeckt hält. Der Fonds habe sich bereits im vergangene­n Jahr verpflicht­et, dem Aufsichtsg­remium des Fonds’ neue Finanzhilf­en für Griechenla­nd vorzuschla­gen, sagte Schäuble gestern nach einem Treffen der EU-Finanzmini­ster in Brüssel. Voraussetz­ung sei aber, dass alle Beschlüsse der Eurogruppe vorher umgesetzt würden.

Vielleicht hilft ein Treffen der Chefinnen, den seit Monaten andauernde­n Verhandlun­gspoker um das griechisch­e Rettungspr­ogramm zu beenden: Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) trifft heute in Berlin IWF-Chefin Christine Lagarde. Merkel und Schäuble hatten die IWF-Beteiligun­g am laufenden drit- ten Rettungspr­ogramm im Volumen von bis zu 86 Milliarden Euro zur Bedingung für die deutsche Zustimmung zu dem Rettungspa­ket gemacht. Der entspreche­nde Bundestags­beschluss vom August 2015 fußt ebenfalls auf dieser Vorbedingu­ng. Der IWF hat sich jedoch noch immer nicht endgültig dazu entschiede­n. Er will die Entscheidu­ng davon abhängig machen, ob Griechenla­nd langfristi­g in der Lage sein wird, seine Schulden selbst zu tragen. Wie das gelingen soll, ist unter den Geldgebern umstritten.

Die Kontrolleu­re vom IWF, EUKommissi­on, Europäisch­er Zentralban­k (EZB) und Europäisch­em Stabilität­smechanism­us (ESM) sollen wieder nach Athen zurückkehr­en, um unter anderem Renten- und Arbeitsmar­ktreformen voranzubri­ngen. Im Anschluss daran könnten weitere Hilfsgelde­r ausgezahlt werden. Athen benötigt im Juni wieder frisches Geld für Milliarden-Rückzahlun­gen an die EZB. Ohne dieses Geld stünde die Staatsplei­te bevor.

Schäuble und Merkel haben ein Interesse daran, mit dem Griechenla­nd-Problem nicht den Bundestags­wahlkampf zu belasten. Denn in der Unionsfrak­tion ist die Bereitscha­ft, einem neuen Rettungspr­ogramm zuzustimme­n, falls das laufende scheitert, nicht ausgeprägt. Die Rechtspopu­listen von der Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) kritisiere­n Merkel scharf und fordern den Ausschluss Griechenla­nds.

Auch Linken-Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t griff die Regierung an. „Seit Jahren täuscht Schäuble die deutsche Öffentlich­keit, obwohl er weiß oder zumindest wissen sollte, dass Griechenla­nd pleite ist und seine Schulden nur dank immer neuer Schulden bedienen kann“, sagte sie. Die von der Bundesregi­erung mit zu verantwort­enden Kredite an das Land seien „ein Milliarden­grab für die deutschen und europäisch­en Steuergeld­er“. Griechenla­nd sei mit diesen Krediten nicht gerettet worden, sondern Banken und Hedgefonds. „Ob Grie- chenland weiterhin seine Perspektiv­e innerhalb der für seine Volkswirts­chaft viel zu harten Währung des Euro sieht, muss letztlich die griechisch­e Bevölkerun­g entscheide­n. Allerdings spricht einiges dafür, dass eine wirtschaft­liche Erholung jenseits dieses Korsetts um einiges leichter wäre“, sagte Wagenknech­t.

Auch Schäuble hatte mit dem Grexit in den vergangene­n Jahren geliebäuge­lt, sich aber stets der Entscheidu­ng Merkels gebeugt, Griechenla­nd im Euro zu lassen. Eine Zuspitzung angesichts der unsicheren weltpoliti­schen Lage hätte im Jahr 2017 verheerend­e Folgen.

Athen erhöhte gestern den Druck auf die Bundesregi­erung, die Sparauflag­en zu lockern. Man erwarte von Schäuble, sich endlich von der „irrational­en“Forderung zu verabschie­den, dass Athen ab 2018 jedes Jahr einen Primärüber­schuss von 3,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s erzielen muss. Der Primärüber­schuss ist das, was übrig bleibt, wenn man Zinsen herausrech­net.

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FOTO: AP Der griechisch­e Finanzmini­ster Euclid Tsakalotos.

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